Der Fernsehgottesdienst zum Reformationstag "Hör mal zu. Wie Worte wirken" im "Ersten" kam dieses Jahr aus der Ludwigshafener Friedenskirche. In einer Stunde Sendezeit steckt ein knappes Jahr Arbeit. Rund 100 Menschen waren beteiligt – vor, hinter und neben den Kameras. Alles musste nach Drehbuch sekundengenau getaktet werden, damit es live auf Sendung gehen konnte. Ein Blick hinter die Kulissen.
Klar, das machen wir!
Ende vergangenen Jahres wurde die Friedenskirche für den Fernsehgottesdienst angefragt. Pfarrerin Cornelia Zeißig und ihrem Presbyterium war schnell klar: Das machen wir. Denn die Gemeinde ist experimentierfreudig und verbindet Gottesdienste gerne mit Kunst und Kultur. Nicht umsonst ist die Friedenskirche auch eine "Kulturkirche". In dem außergewöhnlichen Rundbau finden regelmäßig Konzerte und Veranstaltungen statt.
Schnell wurden Ideen für den Gottesdienst entwickelt. Die Inhalte und Gestaltungselemente mussten aber frühzeitig in Richtung Fernsehen gedacht werden. Dazu gab es einige Vor-Ort-Termine mit der kirchlichen Senderbeauftragten und dem SWR, der den Gottesdienst im Auftrag der ARD produzierte.
Fast alles läuft rund
"Aufwändig, wie ich es kenne, aber immer spannend" beschreibt Pfarrerin Mechthild Werner vom Kommunikationsreferat der Landeskirche das Zusammenspiel zwischen Kirche und Fernseh-Team. Sie hatte – stellvertretend – die Funktion der kirchlichen Senderbeauftragten beim SWR übernommen. "Ich sorge dafür, dass Kirche und Kamera gut zusammenspielen", sagte die erfahrene Rundfunk-und Fernsehpfarrerin kurz vor der Generalprobe. Sie erstellte das Drehbuch mit dem SWR, stimmte die Gemeinde vor der Live-Übertragung ein und sprach für die Zuschauenden am TV den Kommentar aus der Friedenskirche.
Noch etwas Rundes kam ins Spiel: die Bibelrollen der Papierkünstlerin Silvia Mielke aus dem südpfälzischen Jockgrim. Als 2017 die neu übersetzten Luther-Bibeln die alten Gemeindebibeln abgelöst hatten, begann sie im Auftrag der Landeskirche ein Kunstprojekt: Aussortierte Bibelexemplare wurden vor dem Papierkorb gerettet und "re-formiert". Aus den Seiten verleimte Silvia Mieke in enormer Fleißarbeit rund drei Kilometer lange Bänder, die sie auf Telefonkabeltrommeln wickelte. Die größte der drei Kabeltrommeln stand im Mittelpunkt des Gottesdienstes, passend zu Luthers "Allein das Wort".
Werktage kosten Nerven
Geplant war, das Band zum Teil abzurollen und Gottes Wort am laufenden Band symbolisch um die Gemeinde zu legen, 25 Menschen waren dazu nötig. "Allein das hat mich ein paar schlaflose Nächte gekostet", gesteht Cornelia Zeißig. Das Problem: Der Reformationstag ist in Rheinland-Pfalz kein Feiertag, auch die Hauptproben fanden an einem Werktag statt. Letztlich haben aber genügend Hände aus der Gemeinde zugepackt, gemeinsam mit jungen Leuten aus dem gegenüberliegenden Max-Planck-Gymnasium.
"Es war wunderbar, dass der Direktor uns so unterstützt hat", freut sich Pfarrerin Zeißig, die am Gymnasium Religion unterrichtet. Evangelische Schülerinnen und Schüler bekamen die Stunden zum Gottesdienst frei, einige übernahmen auch Sprechrollen. Die Inhalte ihrer Texte bereitete Zeißig vor den Sommerferien mit den jungen Leuten vor. Was machen Worte mit uns? Welche Worte tun gut, welche sind falsch? Darüber dachten die Jugendlichen nach.
Musik-Profis wuppen ihre Parts mühelos
Mit der Musik war es ein bisschen kniffliger. Die Friedenskirche hat kein eigenes Ensemble, die Hürden für einen Jugendchor bei einer Live-Übertragung sind hoch, denn umfangreiche Einverständniserklärungen sind nötig. Die Lösung: Das Vokalensemble "Dreiklang" um Kirchenmusikerin Susanne Roth-Schmidt mit Eliana Schmidt und Karla Neuschwander aus der Evangelischen Jugendkantorei der Pfalz. Am Flügel begleitete Soyun Choi die Sängerinnen. Die junge Pianistin spielt häufiger in der Friedenskirche Orgel. Gute Beziehungen pflegt die Kirchengemeinde auch zu Saxophonist Olaf Schönborn. Er spielt in zahlreichen Ensembles und Orchestern und ist ein "alter Hase" bei Fernsehübertragungen.
Die Zeit im Nacken
Die Uhr tickte nicht nur während der Vorbereitungen, sondern auch bei den Proben und der Sendung selbst. 60 Minuten Zeit für den Gottesdienst – möglichst mit Punktlandung. Am Ende waren es 59:09 Minuten.
So stoppten die Beteiligten in der Vorbereitung, wie lange ihre Beiträge dauerten. Das sorgte für Überraschungen. Die Abroll-Aktion des Bibelbandes war kürzer als gedacht, ebenso die Musik. Das Ensemble "Dreiklang" fand eine pragmatische Lösung für die Zeitlücke: "Wir singen den Kanon einfach länger", sagt Roth-Schmidt und lacht. Am Ende wurde er live noch kürzer als gedacht, aber im Drehbuch sind stets Puffer eingebaut.
Großprojekt mit zweitägigem Finale
Rund 40 Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche wirkten beim Gottesdienst mit. Der SWR war bereits Samstag mit dem Aufbau vor Ort. Die Fernsehleute bauten die Scheinwerfer auf, Ton- und Kamera- und Übertragungstechnik. Am Sonntagabend durften einige Mitwirkende bereits rund zwei Stunden an einer Stellprobe teilnehmen. Die sogenannte Kaltprobe ohne Kameras dient dazu, Standorte und Gehwege festzuglegen.
Ab Montagmittag 12 Uhr ging es dann mit dem 50-köpfigen SWR-Team bis etwa 21 Uhr heiß her. Es gab Einzelproben für alle Sprech- und Musikparts. Die Beteiligten erarbeiteten mit Mechthild Werner die Präsentation ihrer Texte, Chorstücke und Soli wurden verfeinert. Am Ende stand die Generalprobe mit anschließender Manöverkritik. Was muss anders, kürzer, länger werden?
Trotz allem Aufwand war die Stimmung bei Proben und Sendung gut. "So ein großes Projekt über zwei Tage zu stemmen, war schon anstrengend", sagt Cornelia Zeißig. "Aber es macht Spaß, man ist zusammengewachsen und stolz, Teil einer so großen Aktion zu sein. Es war eine schöne Herausforderung."