Singen kann trösten, Heimweh lindern und Botschaften vermitteln. Das spüren Kinder und junge Erwachsene aus der Ukraine im Chor Singfried, der vor zwei Jahren als Projekt der Diakonie entstanden ist. Eingeladen sind Mitstreiter aller Nationalitäten.

Kaiserslautern/Speyer. Schon im Flur ist der Gesang zu hören, wohlklingend und stimmgewaltig. Es ist Samstagmittag, Probenzeit für die Älteren des Chores Singfried. "Hallelujah", der Song von Leonard Cohen, geht den vier Akteuren leicht über die Lippen. Sie sind mit Leib und Seele dabei. Daryna (20) gibt alles, unterstützt den Text mit Gestik und Mimik, flirtet mit einem ­imaginären Publikum. Nazarii (24) trommelt den Beat auf einer Box, während Vladimir Gerasimov auf dem Keyboard begleitet.

Der gebürtige Russe lebt seit etlichen Jahren hier, ist Profimusiker, aus­gebildeter Sänger, Chorleiter, Musikpädagoge – und Initiator des Projekts, das er gemeinsam mit ­Andreas Philipp Breier, Flüchtlingsberater bei der Diakonie, ins Leben gerufen hat. "Vladimir Gerasimov kam im Frühjahr 2022 zu mir und hat sich anlässlich des Ukrainekriegs als Dolmetscher angeboten. Doch davon hatten wir schon einige. Aber Unterstützung in der Flüchtlingshilfe konnten wir immer gebrauchen. Also habe ich ihn gefragt, was er sonst noch kann", sagt Breier. "Singen", habe er gemeint. Breier ist im Haus der Diakonie Leiter des Projekts Begegnungsräume, das Menschen mit gleichen Interessen zusammenführen will. Integrationsbemühungen, die den Fokus auf Verbindendes statt auf Trennendes legen. Ein Chor schien genau das Richtige zu sein.

Skepsis zu Beginn

Kurze Zeit später bot Gerasimov Singstunden für Kinder in der Unterkunft für ukrainische Geflüchtete in der Mennonitenstraße an. "Der Start war nicht ganz einfach", sagt Breier. "Etliche Eltern waren skeptisch, schließlich kommt Vladimir Gerasimov aus dem Land, das die Ukraine überfallen hat. Aber er kann die Menschen begeistern und hat es schließlich geschafft, dass ihm einige Kinder anvertraut wurden."

"Musik verbindet, sie geht ans Herz, hilft, Emotionen auszudrücken", sagt Gerasimov, dem das Projekt sehr am Herzen liegt. Sechs Kinder und sechs junge Erwachsene gehören dem Chor an. "Manche ziehen nach einer Zeit weg, dafür kommen andere dazu", sagt der Chorleiter.

Für ein friedliches Miteinander

Meistens proben die Kleinen und Großen getrennt, manchmal auch zusammen, je nachdem welche Auftritte gerade anstehen. Der nächste findet an diesem Wochenende anlässlich der Interkulturellen Wochen in Speyer statt. Entsprechend intensiv sind die Proben. Die Anweisungen gibt Vladimir Gerasimov in seiner Heimatsprache. "Das ist kein Problem, viele Ukrainer sprechen Russisch", sagt er und lässt einige Liedpassagen so lange wiederholen, bis er zufrieden ist. Schließlich muss für den Auftritt alles sitzen.

Das ist auch den jungen Sängern und Sängerinnen wichtig. "Singen ist meine Leidenschaft", sagt Daryna. Der 25-jährige Andrii ist studierter Dirigent, hat in der Ukraine an einer Schule Musik unterrichtet. Nazarii ist Berufsmusiker. Und Alesia (18) genießt die Gemeinschaft. Ihr gemeinsames Ziel ist es, für ein friedliches Miteinander zu singen, auf Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Ukrainisch.

Sängerinnen und Sänger gesucht

Pläne für die Zukunft gibt es auch: Breier und Gerasimov möchten den Chor weiter fassen. "Für Menschen aller Nationalitäten, ganz gleich welcher Kultur, Religion oder welchen Geschlechts, deren gemeinsamer Nenner das Singen ist", sagt Breier. Entsprechend soll das Chor-Logo in den ukrainischen Farben Blau und Gelb geändert werden und farbenfroh daherkommen. "Wir sind nicht nur auf der Suche nach Sängern und Sängerinnen. Auch über Leute, die ein Instrument wie etwa Gitarre spielen, und welche, die sich mit Bühnentechnik aus­kennen, würden wir uns freuen", sagt Gerasimov.   Friederike Jung                                                                                                                                                    

 

Veranstaltungshinweis und Kontakt

Konzert am Samstag, 28. September, 14 Uhr, Kulturhof, Flachsgasse 3, Speyer

Kontakt: AndreasPhilipp.breier@diakonie-pfalz.de

 

Diakonie- Aktionstag mit Kunst, Gesang und Tanz

Das Diakonische Werk Pfalz lädt Interessierte dazu ein, das vielfältige Beratungsangebot aus ganz neuem Blickwinkel kennenzulernen: Am Samstag, 28. September, wird Agim Kaptelli, Vorstand Soziales und Freiwilligendienste, um 15 Uhr und um 16:30 Uhr durch die Ausstellung "Kunst trotz(t) Ausgrenzung" in Speyer führen. Anhand ausgewählter Exponate werden verschiedene Arbeitsfelder des Diakonischen Werks erläutert. Ergänzt werden die Führungen durch ein Chorkonzert und eine Tanzperformance. Treffpunkt für alle Veranstaltungspunkte ist der Beratungsbus "Diakom" der als mobiles Beratungsangebot an dem Tag von 12 bis 17 Uhr in Speyer, Maximilianstraße, Höhe Geschirrplätzel, Station macht. 

Am Samstag, 28. September, wird von 12 bis 17 Uhr auf der Maximilianstraße in Höhe des Geschirrplätzels, der Beratungsbus des Diakonischen Werks Station machen. Das "Diakom" ist ein mobiles Beratungsangebot. Mitarbeitende aus der Sozial- und Lebensberatung sowie der Migrationsberatung werden an diesem Tag über ihr Angebot informieren. Am Aktionstag dient der Bus zudem als Treffpunkt für Führungen durch die Ausstellung. Jeweils vor den Führungen findet am Beratungsmobil das Konzert des multikulturellen Projektchors „SingFried“ sowie die Tanzperformance statt. 

Die Teilnahme an allen Programmpunkten ist kostenlos. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

 

Hintergrund: Interkulturelle Woche

Die Interkulturelle Woche findet seit 1975 jährlich Ende September statt und wird von Kirchen, Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Integrationsbeiräten und -beauftragten, Migrantenorganisationen, Religionsgemeinschaften und Initiativgruppen unterstützt und mitgetragen.

Bis zum 29. September gibt es in diesem Jahr in über 600 Städten und Gemeinden rund 5.000 Veranstaltungen. Die Initiative soll den interkulturellen Dialog und ein friedliches, respektvolles Zusammenleben stärken.

 

Vier junge Menschen singen. Ein Mann begleitet sie am Klavier.

Bei der Probe (von links): Andrii, Alesia, Daryna, Nazarii und Vladimir Gerasimov Foto: Friederike Jung