Schulpfarrerin Nomi Banerji-Gévaudan bietet seit 15 Jahren mehrtägige Gedenkstättenfahrten in Konzentrationslager an. Unterstützung erhält sie von Karin Kienle vom Landesjugendpfarramt. Das körperliche Erleben sei etwas völlig anderes als das Thema theoretisch abzuhandeln, sagt sie: „Wenn wir durch den Dreck und Matsch stapfen und hören, wie sich Gefangene nicht waschen durften, schwere Eimer schleppen mussten, dann spürst du das ganz anders.“
Claas Herrmann (18) steht die 90 mal 90 Zentimeter große Stehzelle für vier KZ-Häftlinge noch vor Augen. Angel Fischer erinnert sich an die Zeichnungen von Kindern an Lagerwänden. Sie hielten darin die Ermordung von Lagerinsassen fest. „Die Kinder mussten diese Gräueltaten mitansehen. Und haben so offenbar ihr Trauma verarbeitet“, sagt 24-Jährige, der Elektroniker lernt. Die Größe des Lagers, die Relationen sind vielen der Schüler erst vor Ort klargeworden. Und die Realität ist unausweichlich. „Bei einem Film kann ich wegzappen, wenn ich dort bin, kann ich mich nicht entziehen“, sagt Banerji-Gévaudan. „Auschwitz ist als Ort mächtig.“
Das heißt nicht, dass die Schüler in der Vergangenheit verhaftet bleiben. „Wir wollen Mut machen, sich für Gerechtigkeit einzusetzen, notfalls Widerstand zu leisten, Stopp zu sagen, wach zu sein, nicht mitzumachen, wenn juden- oder fremdenfeindliche Witze erzählt werden“, sagt Karin Kienle. Den Begriff der Schuld nach Auschwitz würde Pfarrerin Banerji-Gévaudan gerne durch „Verantwortung“ ersetzen.
Tatsächlich rüttelt das Erlebte die Schüler auf. „Ob zur AfD oder den Plan, Syrer zurückzuschicken, wir hatten so irre Diskussionen. Das macht es aus, wenn man Tag und Nacht zusammen ist“, sagt Kienle. „Es geht darum, die Menschen zu sensibilisieren, dass es nicht mehr so einfach geht, jemandem das Recht abzusprechen, Mensch zu sein“, sagt Schülerin Anna Böhm, die Tischlerin lernt. Hannah Gewohn (21) hat sich vorgenommen, in politischen Diskussionen noch viel stärker als bisher ganz klare Grenzen zu setzen.
Zu sehen sind die Aufnahmen in einer Sondersendung ARD Europamagazin: 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz - hier anschauen