Auf dem Weltacker auf Hof Sonnenbogen lernen Besucher, wie Menschen sich so ernähren können, dass alle satt werden und die Erde geschont wird. Ehrenamtliche helfen bei der Pflege des Gartens. Rund um das Erntedankfest gibt es viel zu tun.
Wolfersheim (lk). Es geht ein leichter Wind. Von irgendwoher wehen die Klänge eines Windspiels, drei Esel stehen auf einer Koppel, scheinen die Sonne zu genießen. An einem Baum hängen drei rote Äpfel, die der Ernte entkommen sind. An der Hofwand ziehen sich Trauben entlang. Ein Distelfalter taumelt über einen Hagebuttenstrauch, ein Tagpfauenauge gesellt sich dazu. „Die Welt ist voller Wunder“, verkündet ein von Efeu und wildem Wein halb überranktes Schild.
Die Herbstidylle auf Hof Sonnenbogen tut fast schon weh. Hannes und Gudrun Ballhorn bewirtschaften den Hof in Wolfersheim, der seit einigen Jahren mit einem ungewöhnlichen Projekt auf sich aufmerksam macht: dem Weltacker. Legt man die globale Ackerfläche von rund 1,6 Milliarden Hektar auf die noch rund 8 Milliarden Erdenbürger um, hat jeder Mensch 2000 Quadratmeter zur Verfügung, auf denen alles wachsen muss, was zum Leben nötig ist: von Gemüse und Obst über Tierfutter für Fleisch oder Milch bis hin zu Baumwolle, Tabak oder Mais für Kraftstoffe.
Die Realität sieht aber häufig anders aus: Ackerflächen gehen verloren durch Landraub, Lebensmittel werden weggeschmissen, der Fleischkonsum verbraucht deutlich mehr Ackerfläche – zu Lasten jener Menschen, die sich reimportiertes Getreide beispielsweise nicht leisten können, während auf den Feldern ihres Landes Tierfutter wächst.
Solche Zusammenhänge auf genau 2000 Quadratmetern deutlich machen will die Arbeitsgemeinschaft Bliesgau Weltacker, die sich im Herbst 2023 gegründet hat.
Dafür sorgen unter anderem 47 über Sponsoren finanzierte Schau-Tafeln, die die weltweit wichtigsten Kulturpflanzen, ihre Anbauregionen und die prozentuale Verbreitung auf der Erde zeigen. Weitere Schilder stammen vom ehemaligen Weltacker auf der Bundesgartenschau Mannheim.
Ballhorn ist in eines der Foliengewächshäuser gegangen. Zwischen den Fingern hält er eine hellgelbe Blüte, die sich einige Wochen später zu einer dicken Kapsel verwandelt: Baumwolle. Der Gartenbaulehrer hat sich früh mit dem Konzept der Permakultur auseinandergesetzt. Gearbeitet wird ressourcenschonend und mit Handarbeit. Ökosysteme und Kreisläufe der Natur werden nachgeahmt. Hühner und Esel liefern wertvollen Dünger.
Das bedeutet auch mehr Artenvielfalt. Das Schneckenjahr 2024 hat Ballhorn gut überstanden, der Blindschleichen sei Dank, die es sich unter liegen gelassenem Stroh gemütlich gemacht hatten. Wo die feuchte Witterung Frühkartoffeln im Frühjahr den Garaus gemacht hat, hatte sich Eisenkraut wild ausgesät, das jetzt geerntet vor Ballhorn liegt – für Tees. „Gärtnerisches Tun und Lassen“, sagt Ballhorn und hebt einen Balken an, der das Zeltdach der Weltacker-Küche trägt. Hier genießen Teilnehmer der „Jungen Biosphäre“ regelmäßig Linsensuppe, ein Projekt des Saarpfalz-Kreises, der den Weltacker ebenfalls unterstützt – genauso wie die Mitglieder des Vereins Bliesgau Weltacker.
„Was gibt es heute zu tun?“, fragt Paula Jacob, die mit Susanne Rohr und Hans-Günter Ewen zum Helfen gekommen ist. „Ernten“, sagt Hannes Ballhorn. Fast jeden Freitagnachmittag bietet ein harter Kern Gartenbegeisterter seine Dienste an, Helfer sind immer gesucht. Heute geht es dem Sellerie, Roten Beeten und den Tomaten an den Kragen, die vor dem Wetterwechsel zum Nachreifen hereingeholt werden.
„Ich habe Hannes über mein freiwilliges ökologisches Jahr für den Biosphärenzweckverband Bliesgau kennengelernt; ich hatte vorher mit Gartenbau nichts am Hut“, gibt Paula Jacob zu. Jetzt ist es ihr ein Anliegen, den Menschen die Natur- und Kulturlandschaft nahezubringen, „die uns von Gott gegeben ist“. Paula Jacob sprüht vor Begeisterung für den Weltacker und die Menschen, die sich in der AG Weltacker engagieren. „Ich habe mich direkt verliebt in den Hof.“
Im Frühjahr haben sich katholische Pfadfinder aus Homburg bei der Eröffnung des Weltackers beteiligt und unter anderem ein Freiluft-Klassenzimmer gebaut. Viel ist durch ehrenamtliches Tun entstanden. Ein Drahttunnel bringt die rund 30 Hühner geschützt zu einer weiteren Auslauffläche. Und ein neues Kompostklo sorgt für noch mehr nachhaltigen Dünger. Auch ein evangelischer Gottesdienst hat hier schon stattgefunden. „Ich kann mir das gut wieder vorstellen“, sagt Pfarrer Matthias App, der mit Pfarrerkollege Wolfgang Kafitz auf den Hof aufmerksam wurde.
„Wir wollen niemanden überzeugen, nur noch vegan oder vegetarisch zu essen“, sagt Jacob. „Ich esse auch gern hin und wieder einen Döner.“ Dennoch rege das Konzept zum Nachdenken an. Und der Weltacker macht Artenvielfalt spürbar. Stolz zeigt Jacob den speziellen Trockenreis, der im Garten gedeiht. Aus der aus Österreich importierten Sorte könne dann in den Folgejahren der erste Saarpfalz-Reis werden.
Hans-Günter Ewen hat inzwischen mit der Grabgabel die Erde um die Sellerieknollen gelockert. Susanne Rohr zieht die Knollen heraus, während Ballhorn das Grün abschneidet – für Kräutersalz. Ein anderer Kübel füllt sich mit Roten Beeten. Was nicht eingelagert wird auf dem Hof oder von den Mithelfern verspeist wird, landet in einem Foodsharing-Verteiler. „Ich liebe Gärtnern und kenne mich nicht aus, hier kann ich was lernen“, sagt Ewen. Er lebt seit 1985 in Wolfersheim, seine Kinder nebst Enkeln sind wieder hergezogen, schätzen die Dorfgemeinschaft und den eigenen Garten.
Inzwischen ist Anne Korter zur Gruppe gestoßen, erntet mit Paula Jacob die letzten Kohlrabis des Jahres. Die Natur- und Landschaftsführerin hatte einer Foodsharing-Gruppe den Weltacker nähergebracht und sich dafür begeistert. Auch Besuchern einer Tagespflegegruppe habe sie das Gelände gezeigt. Menschen im hohen Alter, teils dement, hätten in der Umgebung des Bauernhofs an Erlebnisse aus der Kindheit, ihren Alltag, anknüpfen können, sagt Korter. Das habe Erinnerungen geweckt.
Dann ist Feierabend für die Helfergruppe. Gudrun Ballhorn hat Kaffee aufgesetzt, ein Kuchen wartet. Hannes Ballhorn bringt das Selleriegrün ins Haus. Der verführerische Duft lockt Esel Anton und seine Schwester Danka an den Zaun. Klar, dass sie auch probieren dürfen.
Informationen zum Hof unter www.hof-sonnenbogen.de.