Einheit der Christen 

Nächstenliebe statt Rassismus und Diskriminierung

Sie wirkten unter anderem an dem Gottesdienst mit (von links): Pfarrerin Almendra Garcia de Reuter, Bischof Karl-Heinz Wiesemann, Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst und Pfarrer Constantin Prihoanca. Foto: lk/Landry

Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst (links) interviewt Pfarrerin Almendra Garcia de Reuter. Foto: lk/Landry

Landeskirche, Bistum, Mennoniten und die Rumänisch-Orthodoxe Kirche haben in der Speyerer Gedächtniskirche einen ökumenischen Gottesdienst gefeiert. Er fand am Sonntag im Rahmen der Gebetswoche für die Einheit der Christen statt.

Speyer (lk/is). Das Motto der Gebetswoche lautet "Tut Gutes! Sucht das Recht!" (Jes 1,17) – eine Anlehnung an den Bibelvers aus dem Buch des Propheten Jesaja. Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann lobte diese 2700 Jahre alten Worte in seiner Predigt als klar, aufrüttelnd und zeitlos gültig. Sie würden deutlich machen, dass die Beziehung zu Gott ohne Hinwendung zu anderen Menschen verkümmere. In seinen Augen ist Gottesdienst gleichzeitig Menschendienst - und Gottesliebe gleichzeitig Nächstenliebe. Hierin erkennt Wiesemann "die Herzmitte unseres Glaubens". Sie bewahre die Kirche, "weder zu einer weltabgewandten Ideologie noch zu einer bloßen, wohltätigen NGO zu werden". Umgekehrt bedeute dies: "Jede Verweigerung von Liebe und Zuwendung, jede Form von Unterdrückung und Ausgrenzung, von Rassismus und Diskriminierung ist ein eklatanter Widerspruch zu unserem Glauben an den Gott, dessen innerstes Wesen Liebe ist."

Was passiert, wenn Menschen einander nicht mit der bedingungslosen und heilenden Liebe Gottes begegnen? Folgen seien neben Rassismus und Diskriminierung immer heftigere Attacken auf politische Gegner, einschließlich persönlicher Verunglimpfungen und Fake News, zählte der Bischof auf. Ihn beunruhigt, dass auch in Deutschland immer stärker die Sorgen der Menschen ausgenutzt werden, "um Misstrauen zu säen, Menschen gegeneinander aufzuhetzen und so die Gesellschaft zu spalten".

Deutliche Worte 

Klare Worte fand Wiesemann für alle, die die Demokratie bekämpfen und gegen Geflüchtete hetzen: "Ihre zur Schau getragene Sorge um unser Land und ihre angebliche Solidarität mit sozial Benachteiligten ist für mich nichts anderes als eine Maske, hinter der sie ihre tiefe Verachtung für bestimmte Menschengruppen und ihr Desinteresse an der gemeinsamen Suche nach guten Lösungen für die großen Herausforderung unserer Zeit zu verbergen suchen." Die bessere Lösung liege im solidarischen Miteinander und im Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen.

Bischof Wiesemann bekannte sich dazu, dass Kirchen in der Vergangenheit dazu beigetragen haben, Rassismus mit der Heiligen Schrift zu rechtfertigen. Menschen seien wegen ihrer Herkunft und Hautfarbe, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung, ihrer sozialen Stellung oder einer Behinderung ausgegrenzt und benachteiligt worden. Oft sei die Kirche schuldig geworden, "indem wir geschwiegen oder gar mitgemacht haben". Und auch heute noch würden Menschen in den Kirchen Diskriminierung erleben – offen oder versteckt.

Gegenseitige Achtung

Der Bischof rief dazu auf, sich an Leitfiguren zu orientieren, die sich für Menschenwürde eingesetzt haben, darunter Martin Luther King und Edith Stein. Laut Karl-Heinz Wiesemann stehen sie für Gottes Vision eines friedlichen und gerechten Zusammenlebens. Wie diese beiden sollten alle Christinnen und Christen gemeinsam an einer Gesellschaft arbeiten, "in der Unrecht gegenüber Menschen und Diskriminierung von Menschengruppen klar beim Namen genannt werden, und in der Unterschiedlichkeit und Vielfalt nicht als Bedrohung, sondern als Chance und Bereicherung gesehen werden".

Von ihren Erfahrungen mit Diskriminierung berichtete Almendra Garcia de Reuter im Interview mit Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst. Die gebürtige Peruanerin ist Pfarrerin im südpfälzischen Klingenmünster. Garcia de Reuter hat gespürt, dass oft viele Aspekte für Diskriminierung zusammenkommen: Geschlecht, Alter, Herkunft, Sprache, Kultur, Hautfarbe. Aufgrund ihrer Herkunft wird ihr schon mal abgesprochen, dazuzugehören.

Offenheit statt Besserwissen

Aber sie möchte nicht hinter jeder Frage oder kritischen Äußerung Rassismus sehen. Sie sorgt sich eher um den generellen Ton in der Gesellschaft. Es werde zu schnell geurteilt und bewertet, oft sei der Ton in Diskussionen rau. "Lernt, Gutes zu tun!" sieht sie als Auftrag an die ganze Gesellschaft. Die Pfarrerin selbst sieht ihren Auftrag darin, mehr Freundlichkeit, Offenheit und Herzlichkeit zu schaffen. "Ich wünsche mir offene und persönliche Diskussionen ohne Besserwissen, wo jeder und jede offen Fragen und Meinungen mit Empathie und Freiheit äußern kann. Ich wünsche mir, dass unsere Kirche ein Ort ist, wo Menschen mit ihren unterschiedlichen Positionen sich sicher und willkommen fühlen, weil die Liebe unsere Mitte ist."

An der Feier wirkten neben Bischof Wiesemann und Kirchenpräsidentin Wüst auch Ruth Raab Zerger (Mennoniten) und Pfarrer Constantin Prihoanca von der Rumänisch-Orthodoxen Kirche in Ludwigshafen mit. Zudem waren Gemeindemitglieder von Dompfarrei und Gedächtniskirche sowie Synodalpräsident Hermann Lorenz und die Vorsitzende der Diözesanversammlung Gabriele Kemper beteiligt.

Auch die musikalische Gestaltung war ökumenisch geprägt: Für feierliche Klänge sorgten der "Coro piccolo" unter Leitung von Dekanatskantor Georg Treuheit von katholischer Seite und der evangelische Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald an der Orgel.


Hintergrund

Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) ruft auch dieses Jahr zur Gebetswoche für die Einheit der Christen auf. Zwischen dem 18. und 25. Januar laden Kirchengemeinden weltweit zu Gottesdiensten ein. Seit 2009 feiern das Bistum Speyer und die Evangelische Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) in der Weite der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) – Region Südwest einen zentralen ökumenischen Gottesdienst in der Gebetswoche. Er findet im Wechsel im Speyerer Dom, in der Gedächtniskirche der Protestation und anderen Kirchen der Region statt.

Ein internationales und interkulturelles Team aus dem US-Bundesstaat Minnesota hat die Liturgie und Materialien vorbereitet und auch das Motto gewählt: "Tut Gutes! Sucht das Recht!" (Jes 1,17). Damit soll auf ein in Kirchen tabuisiertes Thema hingewiesen werden: auf die Spaltung zwischen Kirchen aufgrund unterschiedlicher ethnischer Herkunft.