Landessynode 

"Keine bleibende Stadt" – Prio-Prozess startet

Die Landessynode beschließt mit großer Mehrheit den Prio-Prozess. (Foto: lk)

Dorothee Wüst führt in den Prio-Prozess ein. (Foto: lk)

Mit großer Mehrheit hat die Landessynode heute einen Priorisierungsprozess beschlossen, der die Arbeit der Evangelischen Kirche der Pfalz bis 2035 nachhaltig verändern wird. Neben vielen Beteiligungsformaten wird im Prozess auch mit "KI"-Unterstützung gearbeitet.

Speyer (lk). Bereits im Mai hatte die Landessynode grundlegende Verfahrensregeln für einen Priorisierungsprozess für die zukünftige Arbeit der Landeskirche festgelegt. Am heutigen Freitag der Herbsttagung wurde nun der Gesamtprozess beschlossen. Dabei soll es eine breite Beteiligung der demokratisch verfassten Organe der Landeskirche, von Laien sowie internen und externen Expertinnen und Experten geben. Im Mittelpunkt des Prozesses müssten die Menschen und ihre Bedürfnisse stehen, macht Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst deutlich. Wüst nannte den Prozess eine Chance für die Kirche und ermunterte dazu, keine Ängste vor Veränderungen zu haben.

Die Kirchenpräsidentin machte deutlich, dass es nicht leicht sei, zunächst ohne ganz konkrete Ziele in den Prozess zu starten, sondern diese erst zu erarbeiten: "Wir haben längst eine Vision. Wir wollen auch in Zukunft eine Kirche, in der Gottes Wort verkündigt und gelebt wird, die nah bei den Menschen ist und ihnen etwas gibt, das trägt und hält. Wir wissen um den Wert existentieller Lebensbegleitung und die Notwendigkeit, christliche Perspektiven in die Diskussionen der Welt einzutragen. Aber eine Vision ist kein Zielfoto. Und das ist gar nicht leicht auszuhalten. Und ich habe Respekt vor dieser Synode, dass sie das tut." Zur Orientierung dienten fünf Kriterien, anhand derer alle entwickelten Szenarien bewertet werden: Mitglieder- und Menschenorientierung, gesellschaftliche Relevanz, Profilbildung und Kernkompetenz, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit sowie Wirtschaftlichkeit und Ergebnisorientierung.

Auch die Beteiligung vieler Menschen im Prozess soll zum Gelingen des Prozesses beitragen: Neben einem Mitgliederrat aus zufällig ausgewählten Mitgliedern, der am 2. Dezember zusammenkommt, werden auch ein wissenschaftlicher Beirat sowie Resonanzräume mit Personen aus unterschiedlichen Bereichen von Kirche und Gesellschaft den Prozess begleiten, der die gesamte Landeskirche und alle ihre Gemeinden und Einrichtungen betreffen wird. In sieben Fachgruppen werden Synodale, Mitarbeitende des Landeskirchenrats und weitere Expertinnen und Experten Szenarien für das Jahr 2035 für je einen Aufgabenbereich kirchlichen Handelns entwickeln – mit Einsparzielen von 45, 60 und 75 Prozent.

Diese teils drastischen Szenarien sollen die Landessynode in die Lage versetzen, bis Mai 2025 zwischen einzelnen Arbeitsbereichen zu priorisieren und so die notwendigen Sparziele mit Blick auf das Jahr 2035 zu erreichen. Als "Kirche auf dem Weg" gehe es in diesem Prozess aber um deutlich mehr als nur die finanzielle Entwicklung, so die Kirchenpräsidentin. Der Klimawandel und seine geopolitischen Folgen, aber auch Phänomene wie Beschleunigung, Mediatisierung oder Individualisierung veränderten Kirche. Doch Wüst macht Hoffnung im Angesicht der anstehenden Herausforderungen: "Wir haben hier keine bleibende Stadt, und die zukünftige müssen wir nicht alleine finden, sondern gemeinsam und im Vertrauen auf Gott, der mit uns durch die Geschichte geht."

Brainstorming mit "KI"

Zum ersten Mal experimentiert die Landeskirche beim Prio-Prozess mit "künstlicher Intelligenz". Gestützt durch das large language model (LLM = großes Sprachmodell) ChatGPT entwickelte die Agentur Sommerrust vier Szenarien für mögliche Zukünfte der evangelischen Kirche. Sie sollen der Synode Entscheidungshilfe im Prozess bieten. "Kirche im Neustart-Modus" geht von einer Kirche aus, die in der digitalen Transformation ihre Chance ergriffen hat und sich online und offline als moderne, bedürfnisorientierte Institution präsentiert. Im "Kollektiv K." wird Kirche zum Zentrum gesellschaftlichen Engagements und tritt mutig mit charismatischen Persönlichkeiten in die Öffentlichkeit, um sich für soziale Themen einzusetzen.

Unter dem Stichwort "Kirchendämmerung" zeichnete Sommerrust ein Szenario, in dem Kirche an traditionellen Strukturen und Werten festhält und noch schneller Mitglieder verliert als bislang. Im letzten Szenario "Kirchen im Sturm" erhebt sich Kirche in Zeiten gesellschaftlicher Spaltung als Bastion der Tradition durch klare Grenzziehungen. Sie wird ein sicherer Hafen für Zuflucht Suchende, trägt aber selbst zur Spaltung der Gesellschaft bei. In der sich synodalen Diskussion wurde betont, dass die Szenarien der Inspiration dienen sollen, an sich aber keine Strategie darstellten.

Nach der ausführlichen Diskussion im Plenum, in der für die anstehende Arbeit mehrfach die Bedeutung von Zusammenhalt beschworen wurde, läutete die Landessynode den Priorisierungsprozess in mehreren Abstimmungen mit großer Mehrheit ein.