Parlamentarischer Abend 

In schwierigen Zeiten konstruktiv zusammenarbeiten

Volker Jung, Malu Dreyer, Dorothee Wüst, Hendrik Hering und Christoph Pistorius (von links) beim Parlamentarischen Abend der evangelischen Kirchen in Mainz. Foto: Bernd Eßling

Die evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz haben zum parlamentarischen Abend nach Mainz eingeladen. In Gesprächen mit Parlamentspräsident Hering und Ministerpräsidentin Dreyer wurden viele Gemeinsamkeiten deutlich.

 

Speyer (lk). Am Buß- und Bettag kamen Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen, des rheinland-pfälzischen Parlaments und der Landesregierung in Mainz zusammen. Der Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Christoph Pistorius, stellte den "Tag der Besinnung und Neuorientierung" in Zusammenhang mit dem parlamentarischen Abend: "Der Buß- und Bettag ist ein Tag der Beziehungspflege zu Gott und zu unseren Mitmenschen. Das passt gut zum heutigen Abend."

 

Das Thema Beziehungspflege zu Mitmenschen in Zeiten von Krisen zog sich durch die gesamte Veranstaltung. Dorothee Wüst, Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz, und Hendrik Hering, Präsident des Landtags Rheinland-Pfalz, diskutierten über die Erinnerungskultur im Schatten des Nahost-Konflikts. Hering erinnerte daran, dass "Erinnerungskultur durch Bürgerbewegungen" entstanden und nicht durch Politik verordnet worden sei. Gegenwärtig veränderten sich aber Narrative in Familien, viele seien nicht mehr bereit, die Schatten in der eigenen Familiengeschichte wahrzunehmen. Ähnlich schätzte es Dorothee Wüst ein: "Der aufkeimende Antisemitismus zeigt: Es ist nicht alles gelungen. Wir zelebrieren unsere Erinnerungskultur oft nur in einer bürgerlichen Blase."

 

Beide betonten die Gefahren von unregulierter Hassrede und Geschichtsumdeutung in sozialen Netzwerken wie TikTok oder Instagram, denen vor allem durch Bildung und Aufklärung zu begegnen sei. Der Parlamentspräsident warnte jedoch: "Es können nicht alle Probleme in der Schule gelöst werden. Und es kann nicht sein, dass in diesen Zeiten Mittel für gesellschaftspolitische Jugendbildung gekürzt werden sollen." Die Kirchenpräsidentin betonte die Bedeutung des Religionsunterrichts als Ort der Wertevermittlung und Meinungsbildung für Demokratiebildung: "Im Religionsunterricht geht es vor allem um Werte und die Würde meiner Mitmenschen." Unverzichtbar sei für Politik und Kirche jedoch, da waren sich Präsident und Präsidentin einig, deutlich präsenter in sozialen Netzwerken zu sein, um einen Gegenpol zu Desinformation und Propaganda zu bilden.

 

In einer zweiten Diskussionsrunde blickten Ministerpräsidentin Malu Dreyer und der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, auf Diskrepanzen zwischen Gesellschaft und Institutionen und daraus entstehende Probleme für die Demokratie. Jung verwies auf das Engagement der Kirchen für Geflüchtete als Beispiel für die Rolle der evangelischen Kirchen in der Gesellschaft: "Es gehört zum Kern unseres Glaubens für Menschen da zu sein und sie zu begleiten. Und nicht nur davon zu reden, sondern es auch überzeugend zu tun." Die jüngste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU 6) habe gezeigt, dass dies auch von Menschen, die nicht Mitglieder der evangelischen Kirche sind, geschätzt würde. Geschlossenheit oder Einigkeit seien aber nicht die wesentlichen Merkmale in der gegenwärtigen Situation. "Kirche hat die Aufgabe, Räume für Vielfalt und unterschiedliche Positionen zu öffnen, um zu zeigen, wie man trotz unterschiedlicher Meinungen gut miteinander umgehen kann."

 

Ministerpräsidentin Dreyer ging auch auf die aktuellen Krisen ein, hielt für das "Ehrenamtsland" Rheinland-Pfalz aber fest: "Die Mehrheit – mit Abstand – der Bevölkerung unseres Bundeslandes steht zusammen." Aber gerade im digitalen Raum fehlten Diskursräume, die nicht nur zu Zuspitzungen und Verengungen führten. Parteien und Kirchen hätten beide mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen, weshalb gelte: "Wir müssen dahin, wo junge Menschen sind. Und das sind die sozialen Medien."

 

Dreyer und Jung waren sich einig, dass Politik und Kirche mit Blick auf die Verrohung und Radikalisierung des Umgangs miteinander im Netz in der Verantwortung stünden, sich für mehr Medienkompetenz einzusetzen. "Medienkompetenz ist die Schlüsselkompetenz für den Schutz der Demokratie", betonte der Kirchenpräsident. Und beide waren froh, dass es Politik und Kirche in schwierigen Zeiten immer gelinge, konstruktiv und kritisch zusammenzuarbeiten. Eine Einschätzung, die viele Gäste an diesem Abend der Beziehungspflege teilten.