Gottvertrauen ausstrahlen
Die Kirche muss besser kommunizieren und Menschen gezielter ansprechen. Das war ein Ergebnis des Podiums "Was wird aus unseren Kirchen?" in Speyer.
Die evangelische und die katholische Kirche in der Pfalz und Saarpfalz wollen die Menschen gezielter ansprechen. Die christlichen Kirchen dürften sich nicht zurückziehen, machten Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst und der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann in Speyer bei einer Podiumsdiskussion der Stiftung "Kulturforum" am 22. September unter dem Motto "Was wird aus unseren Kirchen?" deutlich. Auf dem Podium saßen außerdem der ehemalige bayerische Ministerpräsident und Landessynodale Günther Beckstein sowie Dorothea Sattler, Leiterin des Ökumenischen Instituts der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Die richtigen Worte und Themen finden.
"Anbiedern kann nicht die Aufgabe von Kirche sein", sagte Wüst zur Frage nach einer Anpassung von Kirche an die Gesellschaft. Allerdings sei die richtige Kommunikation gefragt. "Das ist uns zuletzt nicht immer optimal gelungen, wir haben über Köpfe hinweggeredet, nicht auf Sorgen und Nöte gehört", sagte Wüst. Jeder Kirchenaustritt täte ihr weh. Allerdings wehre sie sich gegen den apokalyptischen Klang dieses Worts. Schließlich seien die Menschen weiter ansprechbar. Natürlich werde die Finanzierbarkeit von Kirche schwerer. Der Fokus auf das Geld verhindere aber das, "was uns auszeichnet als Kirche, nämlich Gottvertrauen und Mut". Wenn Kirche Letzteres ausstrahle, sei sie "wieder attraktiv". Eine Chance sei der Religionsunterricht an Schulen. Die christliche Botschaft, dass sich der Wert eines jeden Einzelnen nicht an schulischen Leistungen oder angesagter Kleidung messe, werde hier gehört, sagte Wüst.
Den Glauben in die Zeit hineintragen.
Wiesemann und Wüst wehrten sich gegen den Vorwurf Becksteins, die Kirchen konzentrierten sich zu sehr auf politische Botschaften und passten sich insbesondere im Fall der evangelischen Kirche stark dem Zeitgeist an. "Die Glaubensbotschaft ist nur möglich, wenn wir sie in die neue Zeit hineintragen", sagte Wiesemann. Dazu brauche es bei aller Wertschätzung volkskirchlicher Strukturen an vielen Stellen innovativen Geist. Wüst merkte an, dass die Menschen für die Botschaft der Auferstehung jenseits von Trauersituationen schwieriger zu erreichen seien als früher. "Wir können aber nicht christliche Kirche sein und das Jenseits auslassen", sagte sie.
Theologin Sattler plädierte dafür, die Dimensionen des Diesseits und Jenseits nicht auseinanderzureißen, schließlich zeige sich der auferstandene Christus in der Wirkmacht des heiligen Geistes. "Kirche hat nicht die Aufgabe, politisch zu sein, aber sie hat immer eine Dimension in die Welt hinein", sagte Sattler mit Blick auf Werte wie Wahrheit oder Gerechtigkeit. Der Tod wiederum sei auch für große Theologen eine Unselbstverständlichkeit, eine schwer vorstellbare Zäsur. Vielleicht sei es in der Vergangenheit ein Fehler der Kirchen gewesen, Zweifel und Fragen der Menschen hier nicht groß werden zu lassen, sagte Sattler.
Offen mit dem Thema Kirche und Geld umgehen.
Beckstein warnte, dass mit dem Bedeutungsverlust von Kirche als wertebildendem Faktor in der Gesellschaft ein Vakuum entstehe. Außerdem riet er den Kirchen, die Ablösung von den Staatsleistungen anzugehen, Finanzen transparent zu machen sowie Baulasten abzugeben, um sich auf das Personal zu konzentrieren. Wiesemann hielt entgegen, dass in Rheinland-Pfalz bei den Staatsleistungen die Landesregierung einen Rückzieher gemacht habe. Den Haushalt des Bistums könne jeder im Internet einsehen. Die beiden Kirchen versuchten in ökumenischer Geschlossenheit, seit mehr als einem Jahr im Fall der Kindertagesstätten Baulast abzugeben an den Staat. Wüst kritisierte, viele Menschen nähmen Leistungen der Kirche als gegeben hin und fragten nicht danach, wie sie finanziert würden. Sattler sagte, es sei oft zu wenig bekannt, wozu Kirche Geld in die Hand nehme. Künftig stelle sich die Frage, ob bei zurückgehender Kirchensteuer sozialdiakonische Arbeit noch zu erhalten sei oder eine Sozialsteuer eingeführt werde wie etwa in Italien.
Autor: Florian Riesterer
Artikel aus dem Kirchenboten