Partnerkirche feiert 50. Geburtstag 

"Fröhlichkeit, die von Herzen kommt"

Dorothee Wüst (links) und Markus Jäckle (rechts) mit dem stellvertretenden Generalsekretär der United Reform Church, Philip Brooks. Foto:lk/Henninger

Beim Besuch wurden Gastgeschenke überreicht (von links): Reverend Tessa Henry-Robinson, Dorothee Wüst, Kohn Bradbury (Generalsekretär der United Reform Church), Markus Jäckle und Reverend Fiona Bennett. Foto: lk/Henninger

Speyer (lk). Die englische United Reform Church ist eine Partnerkirche der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche). Zu ihrem 50. Geburtstag überbrachte eine Delegation aus der Pfalz Glückwünsche, darunter Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst und Oberkirchenrat Markus Jäckle. Beide schildern ihre Eindrücke im Interview.

Abseits von Gesten und Gastgeschenken: Welche Bedeutung haben Partnerschaften zu anderen Kirchen für die pfälzische Landeskirche?

Wüst: Partnerschaften sind zeitgemäßer denn je. Die ganze Welt rückt zusammen und funktioniert vernetzt. Nur als Menschheitsfamilie bestehen wir Krisen, die uns weltweit betreffen: Krieg, Krankheit, Klimawandel. Gleichzeitig sehen wir nationalistische Tendenzen, die das Heil in der Selbstbezogenheit sehen. Damit ignorieren sie, was uns biblisch der Apostel Paulus mitgegeben hat: Wir sind ein Leib mit vielen Gliedern. Wenn ein Glied leidet, leidet der ganze Leib. Menschsein ist gottgemacht, Grenzen sind menschengemacht und können überwunden werden. Das ist eine Erfahrung in all unseren Partnerschaften, die ich keinesfalls missen möchte.

Jäckle: Partnerschaften sind eine enorme Bereicherung, weil sie den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus lenken. Sie helfen die Möglichkeiten, Gegebenheiten und Situationen anderer Kirchen wahrzunehmen und für das eigene Tun fruchtbar werden zu lassen. Dies betrifft Frömmigkeit, Gottesdienstformen, Strukturen, Beziehungen.

Wovon leben diese Partnerschaften?

Wüst: In all unseren Partnerschaften erleben wir die Verschiedenheit von Kultur, Sprache, Lebenswirklichkeiten, von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, religiösen Traditionen. Wir erleben uns in unserer Andersartigkeit und entdecken gleichzeitig, wie sehr uns der Glaube an den einen Gott in Jesus Christus verbindet. Der eine und einigende Geist Gottes macht aus Fremden wirklich Freunde – damals und heute. Diese „Pfingsterfahrung“ steckt in jeder unserer Partnerschaften.

Jäckle: Partnerschaften leben von Menschen, denen die Menschen und Gemeinden in der Partnerschaft wichtig sind und die immer wieder das Bedürfnis haben, sich zu treffen, zu sehen, auszutauschen, diese besondere Gemeinschaft zu erleben und zu pflegen.

 

Die pfälzischen Besuchergruppen schwärmen oft regelrecht von der Unverzagtheit, Lebendigkeit und ansteckenden Fröhlichkeit im Glauben und der Verkündigung, wenn sie aus Partnerländern wie Ghana oder Papua wiederkommen. Wie haben Sie das in England erlebt? 

Jäckle: Dies kann ich nur bestätigen. Wir sind überaus warmherzig von unseren englischen Freunden aufgenommen worden. Und in der Tat habe ich viele Menschen erlebt, die fröhlich und mit großer Zuversicht und Gelassenheit ihren Glauben leben. Dazu gehört sicher auch der britische Humor, mit dem vieles kommentiert und getragen wird.

Wüst: Jedes Partnerland hat seine eigene „Persönlichkeit“, aber überall begegnet mir eine überwältigende Gastfreundschaft. Wie Glaube gelebt wird, ist und bleibt auch eine Frage von Kultur und Mentalität. Wir werden in Deutschland nicht einfach nachahmen können, wie sich woanders Glaube ausdrückt und gelebt wird. Es geht nicht darum, ob man im Gottesdienst klatschen darf. Es geht um Fröhlichkeit, die von Herzen kommt und für andere spürbar ist.

 

Großbritannien ist uns als demokratischer Staat westlicher Prägung kulturell näher als andere Partnerländer. Haben Sie auf Ihrer Reise ähnliche Herausforderungen für die Kirche und die Menschen dort erlebt wie bei uns?

Wüst: Gerade in Großbritannien stehen die christlichen Kirchen vor ähnlichen Herausforderungen wie wir: Religion ist nicht mehr selbstverständlich, Kirche als Institution wird kritisch angefragt, der kirchliche Wandel ist mühsam. Die United Reformed Church vereint unter ihrem Dach sehr verschiedene Ausprägungen reformatorischer Kirche. Deshalb ist sie geübt im Umgang mit Diskurs über den Wert von Tradition und verschiedenen Frömmigkeitsstilen und gleichzeitig der Herausforderung, gemeinsam Kirche zu sein. Die United Reformed Church ist eine Größe in der britischen Kirchenlandschaft, aber sie war nie eine Mehrheitskirche. Das setzt kreatives Potential im Spagat zwischen Tradition und Transformation frei.

Jäckle: Säkularisierung, Multireligiosität, steigende Armut, eine sich immer stärker spaltende Gesellschaft - sowohl zwischen arm und reich wie in politischer Hinsicht - sind auch für die Situation in England prägend. Große Not herrscht beispielsweise in der medizinischen Versorgung. Und vieles ist erheblich teurer geworden - auch durch den Brexit.

Die United Reformed Church hat in starkem Maße mit schwindenden und geringen Mitgliederzahlen und somit geringeren finanziellen Mitteln zu kämpfen sowie mit einer Überalterung der Gemeindeglieder und Presbyterien. Die meisten Kirchen werden multifunktional genutzt. Das heißt, Seitenschiffe und Räume im Kirchengebäude werden mit Vorhängen, Regalen oder Bretterwänden abgegrenzt und anderweitig genutzt, vor allem für die sozialdiakonische Arbeit mit Hilfen für Bedürftige. Viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich. Dies hat jedoch nicht unbedingt Auswirkungen auf die Zahl der Gottesdienstbesucher. Vielen ist es wichtig, Kirche für andere zu sein.


Von den Briten lernen, heißt …?

Jäckle:  … zu erleben, wie gut Teamworking von Pfarrerin oder Pfarrer und ehrenamtlichen Laien auf Augenhöhe funktionieren kann, welche Kräfte es freisetzt und mit welcher Selbstverständlichkeit es gelebt wird.

Wüst: Zunächst einmal ist es ein Miteinander-Lernen. Die Herausforderungen sind ähnlich, viele Lösungsansätze werden auch bei uns diskutiert. Mit unterschiedlichen Vorzeichen bewegen wir uns alle im europäischen Kontext, erleben eine mehr und mehr plurale und diverse Gesellschaft. Aus den freundschaftlichen Begegnungen in England nehme ich eine starke Orientierung nach außen wahr, das tiefe Bedürfnis, Kirche für andere zu sein. Gerade in Cambridge in der Gemeinde „Downing Place“ war das mit Händen zu greifen. In der Kirche gibt es einen Raum, der offen ist für Vorübergehende. Hier liegt eine Bibel auf und es besteht die Möglichkeit, sich bei einem Glas Wasser zu erholen. Und was wir auf jeden Fall lernen können, ist die britische Fähigkeit, die Dinge mit Humor zu nehmen.

 

Welcher Moment während der Reise schafft es auf Ihre persönliche Unvergessen-Liste? 

Wüst: In einem Gottesdienst durften wir Gäste spontan mit kurzem Probenvorlauf im Chor mitsingen. Der Chor sang ein Stück, das vom Chorleiter eigens komponiert war und das wir nun auch mit in die Pfalz nehmen durften. Für mich war das ein ganz besonderer Moment und einmal mehr die Erfahrung, dass im gemeinsamen Musizieren jede Fremdheit verschwindet, Grenzen unwichtig werden und das Herz einfach bei Gott sein kann.

Jäckle: Auf dem Weg zum Festgottesdienst hörte ich den Stundenschlag der Glocken von Westminster Abbey und bekam sofort heimatliche Gefühle, weil es der "Mutterglockenschlag" der Gedächtniskirche ist. Sie hat ebenfall diesen Glockenschlag. Auch er ertönt zu viertelstündlich. Ein weiterer Moment: Alison Morgan die Hand zu schütteln, die 1947 von England aus die Partnerschaft mitbegründet hat und mit ihren nun 101 Jahren körperlich und geistig äußerst fit, am sonntäglichen Gottesdienst in Purley teilgenommen hat.


Hintergrund: Partnerschaften

Die Evangelische Kirche der Pfalz pflegt Partnerschaften mit Brüdern und Schwestern in sehr verschiedenen Regionen der Welt. Sie unterhält lebendige Beziehungen zu Christen und Christinnen in Papua, in Ghana, in Korea, in Bolivien, zu den Böhmischen Brüdern in Tschechien und zur United Reformed Church in England. Sie fühlt sich der Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) wie auch in der Konferenz der Kirchen am Rhein (KKR) verbunden mit Protestantinnen und Protestanten in den Nachbarländern am Rhein wie auch in ganz Europa. Die Landeskirche pflegt Kontakte in der Konferenz europäischer Kirchen (KEK) im Horizont europäischer Ökumene.


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