Bewahrung der Schöpfung 

Fleisch oder kein Fleisch – ist das hier die Frage?

Schwein. Foto: Fundus

Dejan Vilov, Rundfunkbeauftragter Foto: LKR/Landry

Dass nachhaltige und gesunde Ernährung ein wichtiges Thema ist – darüber sind sich die meisten Menschen hierzulande einig. Wie eine solche Ernährung allerdings aussehen muss und welche Rolle tierische Produkte dabei spielen – das wird äußerst kontrovers diskutiert. Rundfunkpfarrer Dejan Vilov ist dieser Frage nachgegangen:

 

"Bauer Hermann und sein Träcker, die bestellen stets die Äcker. Borstenvieh und Schweinespeck sind sein ganzer Lebenszweck." Eine Skiffle-Band aus meiner Heimatstadt Hildesheim hat diese Zeilen einst getextet und vertont. In den 1970er-Jahren war das. Wenig später wollten die Gebrüder Blattschuss sogar die Rechte an dem Lied erwerben. Sie wissen schon: Das sind die, die sonst von langen Kreuzberger Nächten gesungen haben, aber das ist eine andere Geschichte…

Vor kurzem habe ich die entsprechende Skiffle-CD mal wieder aus dem Regal genommen und in den CD-Player gelegt. Dieses technische Gerät ist ja mittlerweile – im Streaming-Zeitalter - im Grunde schon ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit. Ebenso wie der oben zitierte Text. Ich habe mich beim Hören zumindest gefragt, ob diese Zeilen heute noch so getextet werden würden? Oder könnten? Immerhin stehen die Worte "Borstenvieh" und "Schweinespeck" ja geradezu symbolisch für den Verzehr tierischer Produkte: Von Fleisch über Käse und Milch oder Joghurt. Und derselbe scheint dieser Tage ein wenig in Verruf gekommen zu sein. Dieses Gefühl kann man zumindest bekommen, wenn man einen Blick in soziale Netzwerke wirft, respektive auf die dort verbreiteten Vorträge des aus dem Fernsehen bekannten Kriminalbiologen Mark Benecke. Der fordert vehement den kompletten Verzicht auf tierische Produkte. Nur so könne die Erde für nachfolgende Generationen bewohnbar bleiben. In ein ähnliches Horn stößt die Österreicherin Raffaela Raab. Unter dem Namen "Die militante Veganerin" kämpft sie in den sozialen Medien für Tierrechte und – damit verbunden – vegane Ernährung. Über eine halbe Million Menschen folgen dabei ihren Kanälen. Wenn das keine Reichweite ist?!

 

Image des Metzgerei-Handwerks hat gelitten

Reduzierung des Fleischkonsums ist auch dem Deutschen Evangelischen Kirchentag ein wichtiges Anliegen. Auf der Homepage heißt es: "Der Kirchentag bemüht sich (…), die herrschende Esskultur zu verändern. Dies schließt besonders die drastische Verringerung des Fleischverzehrs ein." Wenn Besucher aber auch mal eine Bratwurst essen würden, wie z.B. als regionale Spezialität auf dem diesjährigen Kirchentag in Nürnberg, sei das natürlich überhaupt kein Problem, so Kirchentag-Pressesprecherin Milena Vanini.

Die pfälzische Landessynode bemüht sich ebenfalls, den Verzehr von Fleisch zu verringern. So hatte das Kirchenparlament bei seiner Frühjahrstagung an einem Tag ausschließlich vegetarisches Essen auf der Speisekarte. Vegetarisch hatte sich auch Pfarrerin Hannah Wirth aus Thaleischweiler bei Pirmasens bereits jahrelang ernährt, ehe sie vor einigen Jahren zur veganen Lebensweise wechselte. Grund dafür war damals eine Unverträglichkeit gegen Milch- und Hühnereieiweiß, die sie entwickelt hat. "Als ich damals radikal umgestellt habe, ging es mir mit Blick auf die Symptome der Unverträglichkeiten deutlich besser, ich habe abgenommen und mich allgemein gut gefühlt", erinnert sich Wirth und ergänzt: "Bezüglich der medizinischen Nachweisbarkeit kann ich sagen, dass ich zum Beispiel sehr gut durch Schwangerschaft und Geburt gekommen bin, ohne etwa Probleme mit den Eisenwerten zu entwickeln."

Für ihren Arbeitgeber, die pfälzische Landeskirche, gilt auch in Ernährungsfragen seit 2019 die "Richtlinie zur Beschaffung von Waren und Dienstleistungen nach ökologischen und sozialen Gesichtspunkten - Beschaffungsrichtlinie" von 2019, wie Sybille Wiesemann, Umweltbeauftragte der Landeskirche, mitteilt. Dort ist vermerkt, dass neben ökonomischen Kriterien bei der Beschaffung auch soziale und ökologische Kriterien zu berücksichtigen sind: Produkte aus fairem Handel sowie saisonale und regionale Lebensmittel aus möglichst biologischem Anbau. Dies ist mit entsprechenden Umwelt- und Sozialsiegeln nachzuweisen. Diese Richtlinie gilt verbindlich für die landeskirchlichen Einrichtungen, für Gemeinden als Empfehlung.

Lebensmittel regional einkaufen – das sollte im Grunde kein Problem sein in einer ländlich geprägten Gegend wie der Pfalz mit ihren Bauernhöfen und kleinen Metzgereien. Apropos Metzgereien: Einige Metzger fühlen sich in letzter Zeit im gesellschaftlichen Diskurs durchaus an den Pranger gestellt, weil sie ihr Geld mit Fleischprodukten verdienen.

So äußert sich beispielsweise Victor Nettey, Inhaber der Speyrer Metzgerei Heiss: "Ein Stück weit empfinde ich es so, dass wir in eine Ecke gedrängt werden. Jahrhundertelang war es in Ordnung, Fleisch zu essen und jetzt auf einmal soll das plötzlich schlecht für die Umwelt und die Gesundheit sein?" Ähnlich empfindet es auch Stephan Schreiner von der gleichnamigen Metzgerei in Harthausen. Seiner Ansicht nach habe der Beruf des Metzgers gelitten und das, obwohl gerade in den Metzgereien vor Ort so nachhaltig und klimaschonend wie möglich gearbeitet werde. Das Problem liegt seiner Meinung nach woanders. "Man sollte sich eher fragen, wie es sein kann, dass gerade Fleisch zu Niedrigpreisen verkauft werden darf." Schreiner betont, dass jede Form der Ernährung respektiert werden solle. Auch vegetarische und vegane. Auch Hannah Wirth äußert sich diesbezüglich tolerant: "Ich bin absolut kein Freund davon, anderen Menschen vorschreiben zu wollen, wie sie sich ernähren. Es ist ein unglaublich wichtiges Thema, (…) gleichzeitig aber auch hochkomplex. Neben den gesundheitlichen Aspekten betrifft das vor allem das Potential zur ‚Klimarettung‘: Mit Sicherheit ist es aufgrund der harten Fakten (etwa dem Vergleich des Wasserverbrauchs zur Herstellung eines Kilogramms tierischen gegenüber eines Kilogramms pflanzlichen Proteins) kein zu unterschätzender Faktor, jedoch meiner Überzeugung nach nicht der allesentscheidende Ausweg aus dem Raubbau an unserer Erde."

Stephan Schreiner sieht einen wichtigen Beitrag diesbezüglich darin, "kein per Schiff, Flugzeug oder Lastwagen importiertes Obst und Gemüse, etwa Avocados, Quinoa oder Couscous zu kaufen." Saisonale und regionale Ernährung ist für Schreiner ein effektiver Ansatz.

 

Vegan oder nicht vegan – darauf kommt es letztlich nicht an

Ein Punkt, den auch Ingo Froböse aus gesundheitlicher Perspektive für enorm wichtig hält. Für den emeritierten Professor für Prävention und Rehabilitation im Sport an der Deutschen Sporthochschule Köln ist für eine gesunde Ernährung weniger die Frage wichtig, ob sie mit oder ohne Fleisch auskommt, sondern wie sehr sie sich an saisonalen und regionalen Produkten orientiert und – damit zusammenhängend – wie ausgewogen sie ist. Froböse gibt zu bedenken: "Vegan oder nicht vegan – das ist überhaupt nicht die Frage. Es kommt auf Ausgewogenheit an." Eine vegane Ernährung sei nicht automatisch gesünder, nur, weil sie vegan ist. Ebenso verhielte es sich aber auch mit einer nicht-veganen Ernährung. So, wie Fleischesser in der Gefahr stünden, sich zu proteinreich zu ernähren, sollten Veganer und Vegetarier zum Beispiel darauf achten, nicht in ein Vitamin B-Komplex-Defizit zu geraten, weil der primär in Fleischprodukten vorkomme.

Es bleibt also festzuhalten: Was den ethischen Aspekt des Verzehrs von tierischen Produkten angeht – das muss letztlich jeder und jede selbst vor seinem bzw. ihrem Gewissen verantworten können. Ansonsten scheint es zu sein, wie so oft: Extreme Positionen sind wenig erstrebens- bzw. nachahmenswert. Es sind vor allem die drei Schlagworte "Saisonalität", "Regionalität" und "Ausgewogenheit", die eine gesunde und klimaschonende Ernährung auszeichnen. Und die Kolleginnen und Kollegen des eingangs zitierten Bauer Hermanns sind nicht automatisch Klimasünder und für den Untergang der Erde verantwortlich, bloß weil Borstenvieh und Schweinespeck ihr ganzer Lebenszweck sind.

 

Autor: Dejan Vilov, Rundfunkbeauftragter