Mitgliederrat im Priorisierungsprozess 

Erfahrungen mit Kirche gesucht

Mitgliederrat: Die Kirche will sich weiter öffnen. Foto: FUNDUS/Solveig Grahl

Die Evangelische Kirche der Pfalz schreibt 600 Mitglieder an, um sie für einen Mitgliederrat zu gewinnen. Dieser soll nach einem Beschluss der Landessynode ab 2024 an dem Priorisierungsprozess der Landeskirche beteiligt werden.

Ziel sei es, herauszufinden, wie die Menschen Kirche erleben und was sie sich von ihr erhoffen, erklärt Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst. Wissenschaftlich begleitet wird der Mitgliederrat vom Pfälzer Pfarrer Gerald Kretzschmar, in Tübingen Lehrstuhlinhaber für Praktische Theologie. Geplant ist, dass sich die Teilnehmer des Mitgliederrats einen Tag lang in der Pfalz treffen.

Kontakte zu den Mitgliedern pflegen.

"Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich Menschen freuen, wenn man sie anspricht und nach ihrer Meinung fragt, wenn sie ihre Perspektive beisteuern können", sagt Wüst. Fragebögen als Alternative zu einem Mitgliederrat seien verworfen worden, da sie kein wirklicher Unterschied zur sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU VI) der EKD seien, die im Herbst ohnehin erscheine.

Die persönlichen Erfahrungen, die Atmosphäre, die beispielsweise jemand bei einer ansprechenden Taufe erlebt habe, entfalte eine ganz andere Qualität, so Wüst. Außerdem gehe es darum, die binnenkirchliche Perspektive aufzubrechen. Von den knapp 480.000 Mitgliedern tauchten viele bei Gottesdiensten oder anderen Veranstaltungen nicht auf, bezahlten aber trotzdem Kirchensteuern. "Da braucht es Kontaktflächen."

Pfarrer Timo Schmidt, persönlicher Referent der Kirchenpräsidentin und mitverantwortlich für das Konzept, geht von einem Rücklauf von rund zehn Prozent der Briefe aus. Diese Quote habe Florian Wieczorek vom Verein "Mehr Demokratie" als Erfahrungswert genannt. Er macht sich für Volksentscheide und Bürgerräte stark. Kretzschmar geht bei der Zusammensetzung des Mitgliederrats von einer regionalen und sozioökonomischen Streuung aus, da pro Dekanat 40 Einladungen herausgehen.

Die Sichtweise auf Kirche erweitern.

Zudem würde mit Anschreiben an drei verschiedene Altersgruppen versucht, auch hier eine Streuung hinzubekommen. Besonders interessant sei die Gruppe der 18- bis 30-Jährigen. Diese sei nach der Freiburger Studie in puncto Kirchenmitgliedschaft sehr dynamisch. Kretzschmar rechnet trotz alledem statistisch gesehen mit einer gewissen Verengung beim Rücklauf zum Mitgliederrat. "Ich glaube, dass besonders kircheninteressierte Leute eher mitmachen", sagt der Theologe.

Letztlich sei entscheidend, dass die Synode sich auf einen Perspektivwechsel einlasse und sich auseinandersetze mit Meinungen des Mitgliederrats, sagt der Theologe. Ziel sei eine breite Basis für den Entscheidungsfindungsprozess der Landeskirche. Hierzu gebe es allerdings nur eine Selbstverpflichtung der Landessynode. Wüst betont, dass anders als ein klassischer Bürgerrat die Mitglieder des Mitgliederrats nicht beratend tätig seien.

Die Aussagen des Mitgliederrats sollen gemeinsam mit den Einsichten aus der KMU VI, dem Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung und den Ergebnissen des Forschungsprojekts "Begegnen. Hören. Verstehen" auf der Landessynode im Mai 2024 vorgestellt werden. Hinter letzterem Projekt steckt die wissenschaftliche Auswertung von Interviews, die Timo Schmidt seit Juni mit der Kirchenpräsidentin geführt hat. Sie nehmen Bezug auf Begegnungen Wüsts mit unterschiedlichen Personen – von Schülern über Vertreter aus dem Einzelhandel bis hin zur Diakonie. Herausgefunden werden soll, welche Erwartungen an die Kirche herangetragen werden.

In dem auf zwei Jahre angelegten Priorisierungsprozess will die Landeskirche zukünftig Schwerpunkte in ihrer Arbeit setzen, inhaltliche Weichen stellen und Kosten einsparen.

Autor: Florian Riesterer

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