Praktische Nächstenliebe 

20 Jahre Sternenregen – Spendenaktion für saarländische Kinder in Not

Bei der Eröffnung der aktuellen Spendenaktion (vlnr): Michael Schley (Direktor des Caritasverbandes Saarbrücken und Umgebung e.V.), Pfarrer Wolfgang Glitt (Vorsitzender des Vereins RADIO SALÜ - Wir helfen e.V.), Minister Dr. Magnus Jung (Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit) und Axel Musolff (Geschäftsführer RADIO SALÜ). Foto: Radio Salü

Ein Interview mit Wolfgang Glitt, Pfarrer der Kirchengemeinde Ensheim – Eschringen – Mandelbachtal. Er ist Mit-Begründer von Sternenregen und Vorsitzender des Vereins "Radio Salü – Wir helfen e.V."

 

Herr Pfarrer Glitt, wie kam es vor 20 Jahren zu der Idee, Sternenregen ins Leben zu rufen?

Wir haben das im Privatfunk schon vorher gemacht. Ich war damals Privatfunkbeauftragter im Saarland und hatte mit dem katholischen Privatfunkbeauftragten schon vorher einige Spendenaktionen gemacht. Das ist aber vom Erlös her immer recht überschaubar geblieben. Einen Einbruch gab es dann, als wir für kirchliche Aussiedlerarbeit gesammelt haben. Wegen dieser Erfahrung habe ich dann drauf gedrungen, die Spendenaktionen umzustricken. Zum Einen sollte das Kind einen festen Namen haben – nach längerem Überlegen kamen wir dann auf „Sternenregen“ – und zum Zweiten einen festen Spendenzweck, der sich nicht Jahr für Jahr ändert und zum Dritten wollten wir transparent machen, dass wir keine Ausgaben haben für Verwaltungsaufwand. Die Spenden werden 1 zu 1 weitergeleitet.

 

Aber ein bisschen Verwaltung braucht es doch. Stichwort: Buchhaltung.

Die Buchhaltung macht aktuell eine Mitarbeiterin von Radio Salü. Die entstehenden Verwaltungskosten übernehmen die drei Partner des Vereins: die evangelische und katholische Kirche sowie der Sender. Die jährlichen Kosten betragen ca. 1.500 Euro. Wir sind also äußerst schlank aufgestellt.

 

Für die Promotion werden dann also die kirchlichen Beitragsplätze im Programm von Radio Salü und Classic Rock Radio genutzt?

Die können wir dafür nutzen, müssen wir aber nicht. Die Sender fahren da die volle PRomotionschiene. Speziell zu Beginn der Aktion. Wir beginnen meistens in der St. Martinswoche mit einer Pressekonferenz und dann lässt Radio Salü die Beiträge zu der neuen Aktion den ganzen Tag über laufen. Bis in den Januar hinein.

 

Wer produziert diese Beiträge?

Das machen die kirchlichen Beauftragten. Evangelischerseits ist das Daniela Bubel vom Evangelischen Rundfunkreferat in Saarbrücken und für die katholische Kirche macht es Stefan Weinert vom Bistum Trier. Sie führen zum Beispiel Interviews mit Mitarbeitern von Beratungsstellen von Diakonie und Caritas oder besuchen Familien, die Geld aus der Aktion brauchen und porträtieren sie. Das hat für uns als Kirche auch den Vorteil, dass wir unsere Arbeit auf diese Weise ins Bewusstsein rücken können. Wir können da fast ohne Limit senden.

 

Wie lange läuft die Aktion jeweils? 

Die läuft mittlerweile übers ganze Jahr. Als wir damit begonnen haben, lief sie nur über die Weihnachtszeit, aber nun geht sie über 12 Monate. Die Kernzeit beginnt an Sankt Martin und geht bis in den Januar. Im Februar machen wir dann immer eine Pressekonferenz, in der wir eine erste Bilanz ziehen. Die Spenden gehen ja übers ganze Jahr ein, der Schwerpunkt liegt aber in den ersten zwei Monaten.

 

In 20 Jahren Sternenregen haben Sie insgesamt über 5 Millionen Euro an Spenden gesammelt – eine gewaltige Summe! Ist das etwas, was Sie mit Stolz erfüllt oder ist das eher etwas, was Sie traurig macht, weil so eine Spendenaktion offensichtlich nötig ist?

Es ist beides. Wenn man aber drüber nachdenkt, wie groß der Bedarf ist an Spendengeldern – das macht einen schon betroffen. Auf der anderen Seite ist man aber auch ein bisschen stolz, dass man so vielen Menschen helfen kann. Zum einen über die Spenden und zum anderen aber auch in der Form, dass wir damit eine Öffentlichkeit geschaffen haben für Menschen, die zu den Schwachen in unserer Gesellschaft gehören. Wir haben mittlerweile ja viele Kontakte auch in Wirtschaftsunternehmen und viele Menschen, die dort in leitender Funktion tätig sind, sagen uns, dass sie durch Sternenregen ein stärkeres Bewusstsein bekommen haben dafür, dass es Menschen in ihrem Betrieb gibt, die schwer über die Runden kommen.

 

Wie wichtig ist die Kooperation mit Unternehmen für das Generieren der Spenden?

Sie spielen in jedem Fall eine wichtige Rolle. Wir haben mittlerweile finanziell sehr potente Partner. Von einigen bekommen wir jedes Jahr Spenden im fünfstelligen Bereich. Es gibt eine ganze Reihe von Einzelpersonen, Vereinen und Kirchengemeinden, die uns dauerhaft unterstützen. Viele überweisen aber nicht einfach einen Betrag, sondern entwickeln eigene Ideen, um Geld für die Aktion Sternenregen zu sammeln, Zum Beispiel backen – auf Idee der Bäckerinnung – viele Bäckereien bestimmte Waren extra für Sternenregen und verkaufen die dann in den Geschäften.  Und auch die Schirmherrschaft des jeweiligen Ministerpräsidenten bzw. der Ministerpräsidentin ist eine gute Sache. Speziell Anke Rehlinger und Annegret Kramp-Karrenbauer haben unsere Arbeit besonders unterstützt – auch mit eigenen Ideen bzw. sie tun das noch.

 

20 Jahre Sternenregen – welche Momente sind Ihnen besonders aus dieser Zeit in Erinnerung geblieben?

Ich denke da besonders an eine Familie aus dem Saarland, deren krebskranke Tochter in der Heidelberger Uniklinik ein Bein amputiert werden musste und diese Familie hatte kein Geld und keine Möglichkeit, die Tochter zu besuchen. Erst durch Sternenregen ging das dann. Oder – woran ich mich auch gut erinnere, das ist die Geschichte von einem kleinen autistischen Jungen aus einem kleinen Dorf im Saarland, der nach langer Wartezeit endlich einen Platz in einer Autismus-Ambulanz bekommen hatte. Das Problem war bloß: Er kam da nicht hin. Die Familie hatte kein Auto und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln konnte er nicht fahren. Das hätte ihn als Autisten überfordert. Über eine kirchliche Beratungsstelle hat die Familie schnell und unbürokratisch Geld für Taxifahrten bekommen.

 

Für was werden die Spenden am meisten nachgefragt?

In letzter Zeit brauchen immer mehr Familien Geld für Essen – das ist wirklich auffällig. Da reicht es nicht mehr, wenn der Monat zu Ende geht. Die können sich dann nichts mehr zu essen kaufen. Da gibt eine eindeutige Verschärfung im Saarland. Hier ist es mittlerweile so, dass 20 bis 25 Prozent der Kinder armutsgefährdet sind. Das wird natürlich noch verschärft durch die wirtschaftliche Entwicklung hier im Land. Das Werk eines Automobilherstellers im Saarland steht ja total auf der Kippe. Da könnten viele Familien von heute auf morgen in Armut geraten. Und wir haben eine immer breitere Schicht von Menschen, die das Leben nicht alleine finanzieren können und dazu gehören insbesondere immer mehr Alleinerziehende. Und da muss man sich natürlich fragen, was macht das mit den Kindern und ihrem Selbstwertgefühl, wenn sie schon in diesem jungen Alter das Gefühl haben, abgehängt zu sein.

 

Wie ist die Entwicklung auf der anderen Seite, nämlich auf der der potenziellen Spender? Durch Inflation und steigende Energiekosten haben immer mehr Menschen immer weniger im Portemonnaie. Merkt man das am Spendenaufkommen?

Vor Corona hatten wir unsere besten Ergebnisse, in der Pandemie ist das dann ein wenig eingebrochen und aktuell gehen wir davon aus, dass wir die schwierige wirtschaftliche Lage vieler Menschen merken werden. Wir gehen nicht davon aus, in diesem Jahr einen neuen Spendenrekord aufzustellen, aber wenn wir wieder so um die 350.000 Euro erreichen – dann ist das schon ein tolles Ergebnis.

 

Nachdem wir nun oft 20 Jahre nach hinten geblickt haben, lassen Sie uns zum Abschluss einmal 20 Jahre nach vorne blicken. Sternenregen 2043 – wie wird das sein?

Spannende Frage. Ich hoffe natürlich, dass die Armutssituation sich bessert, aber ehrlich gesagt bin ich diesbezüglich pessimistisch. Wir befinden uns mitten in einem gesellschaftlichen Umbruch. Reichtum verteilt sich immer mehr sehr einseitig und das wird ein großes Problem werden. Neben den Zuwanderern haben wir tatsächlich auch immer mehr deutschstämmige Familien, denen es finanziell an den Kragen geht. Die einfach nicht mehr über die Runden kommen und das obwohl mindestens ein Elternteil voll arbeiten geht. Und dieser Trend wird sich so schnell nicht umkehren und deshalb ist es ganz wichtig, dass wir als Gesellschaft wieder lernen, zusammenzuhalten uns gegenseitig zu unterstützen.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Pfarrer Wolfgang Glitt.

 

 

Spendenhotline:

0900-5 22 33 50 (pro Anruf spendet jeder Anrufer per Telefonrechnung  automatisch 5 € für Sternenregen)

 

Spendenkonto:

SK Saarbrücken (IBAN: DE02 5905 0101 0090 0219 99), Stichwort: Sternenregen

 

Weitere Infos: https://www.salue.de/helfen/