Verspätet, übermüdet und überglücklich: Gäste der Weltkirchen-Versammlung waren am Wochenende in der Pfalz zu Besuch. Unter anderem bei einem bewegten Festgottesdienst in Speyer. Eine längere Nachlese auf ein großes Ereignis.

Verspätet, übermüdet und überglücklich: Gäste der Weltkirchen-Versammlung waren am Wochenende in der Pfalz zu Besuch. Unter anderem bei einem bewegten Festgottesdienst in Speyer. Eine längere Nachlese auf ein großes Ereignis. 

Speyer (lk/is). Die Organisation war weniger gut, die Stimmung dafür umso besser. Das ist das Fazit des sogenannten Gastwochenendes für Delegierte des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK). Die Vollversammlung tagt derzeit in Karlsruhe. Am vergangenen Wochenende haben etwa 90 internationale Gäste Ausflüge in die Pfalz unternommen. Einige angemeldete Gäste kamen wegen organisatorischer Schwierigkeiten bei der Anfahrt leider nicht oder nur zu spät an.

Beeindruckte Gäste

Auch wenn die Gästegruppen darum teilweise kleiner waren als angekündigt, wurden die Angebote begeistert angenommen. Das berichten die Gastgeber über den intensiven ökumenischen Austausch. Alfred Mbaj aus Nairobi war das erste Mal in Europa und in Speyer. „Ich kann gar nicht glauben, dass ich in der Stadt bin, in der die Protestation begonnen hat. Es berührt mich sehr, hier zu sein, wo Menschen mutig für das Evangelium eingestanden sind!“ Auch das Unesco-Welterbe Kaiserdom und Judenhof wurden an dem Wochenende von ÖRK-Delegierten bestaunt. 

Begeisternder Gottesdienst

Ein Höhepunkt war der Festgottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche Speyer am Sonntag, zu dem das Bistum Speyer, die Protestantische Landeskirche und die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Südwest (ACK Südwest) eingeladen hatten. „Thank you for this enspiring and enthusiatic service“, bedankte sich ein Besucher aus Schweden für den „anregenden und begeisternden“ Gottesdienst.  

Mit rund 170 Menschen aus allen Kontinenten konnten Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst, Bischof Karl-Heinz Wiesemann und Erzpriester Georgios Basioudis von der griechisch-orthodoxen Kirche gemeinsam feiern. Sie stellten sich in einem Predigt-Interview aktuellen und spontanen Fragen. Pfarrer Florian Gärtner, der den Missionarisch Ökumenischen Dienst (MÖD) in Landau leitet, interviewte mit Mara Zöller, ebenfalls Mitarbeiterin beim MÖD, die Kirchenleitenden. Das Motto des ÖRK stand im Mittelpunkt: „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt.“ Angesichts globaler Krisen, Kriegen und Klimawandel betonten die drei leitenden Geistlichen ihre gemeinsame Hoffnung auf die christliche Gemeinschaft in aller Welt. 

Positives Menschen- und Gottesbild

 „Ich habe ein positives Menschenbild“, sagte Bischof Wiesemann, „wir trauen den Menschen viel zu wenig Gutes zu, das haben wohl auch wir Kirchen mit verschuldet.“ Kirchenpräsidentin Wüst bekräftigte: „Dem schließe ich mich an. Und ich habe ein sehr positives Gottesbild, von einem Gott, der sein Volk an der Hand nimmt und immer wieder durch die Wüste führt.“ Die Menschheit habe schon viele Krisen durchlebt, daran dürfe man sich erinnern und festhalten. Gemeinsame Gebete und gelebte Spiritualität lassen Erzpriester Basioudis hoffen. „Diese wunderbar lebendigen Gottesdienste zur Vollversammlung geben nicht nur mir Kraft“, betonte er.  

Stimmgabel, Schnur und Teller

Auch die mitgebrachten Symbole der drei Geistlichen sprachen von ihrem Glauben. Eine schwarze Gebetsschnur mit Knoten, eine Art „orthodoxen Rosenkranz“ hat Georgios Basioudis stets in der Tasche, „damit man auch beim Warten auf die Bahn beten kann“. Ein schlichter weißer Teller ist für Kirchenpräsidentin Wüst „ein Symbol für die Tischgemeinschaft, dazu rund wie Gottes Welt“. Zerbrechlich wie der Teller sei, erinnere er daran, dass wir manches sorgsam schützen müssen. „Eine Stimmgabel passt zu mir und zum Gotteslob“, erläuterte Bischof Wiesemann sein Symbol. Es gehe auch im Miteinander um den richtigen Ton.  

Friedens-Netzwerker

Ebenfalls symbolisch knüpfte die Gemeinde aus bunten Schals zum gleichnamigen Lied ein „Friedensnetz“. „Es ist ein Lied aus der Zeit des kalten Krieges, als die Mauer in Deutschland noch stand – sie ist friedlich gefallen“, moderierte Pfarrerin Mechthild Werner die Aktion. Sie erinnerte an die Aufgabe der Christinnen und Christen als Netzwerker für den Frieden. Der Grundsatz des ÖRK „Krieg darf nach Gottes Willen nicht sein“, sei weiterhin brennend aktuell. 

Die Liturgie gestaltete unter anderen Oberkirchenrätin Marianne Wagner, die aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit in der Weltmission einige Gäste der Partnerkirchen persönlich begrüßen konnte. Ein besonderer Ehrengast war Konrad Raiser aus Magdeburg, von 1992 bis 2003 Generalsekretär des ÖRK. Schwungvoll begleitet wurde der Gottesdienst von Brassemble and Friends unter der Leitung von Landesposaunenwart Matthias Fitting und Dr. Wolfgang Werner an der Orgel.  

Zukunfts-Themen

„Ökumene weltweit ist dran, weil wir die globalen Herausforderungen nur gemeinsam angehen können“, so die einhellige Meinung der Veranstalter des Besuchsprogramms. Sechs Exkursionen nach Speyer, Ludwigshafen, Landau, Neustadt und Ramstein wurden von einem ökumenischen Team vor Ort mit unterschiedlichen Schwerpunkten vorbereitet. Themen waren etwa Versöhnungsarbeit, Friedensethik, der jüdisch-christliche Dialog, diakonisches Engagement, multikulturelle Projekte oder Landwirtschaft und Weinbau angesichts des Klimawandels. „Wie offen Menschen aus unterschiedlichen Ländern diskutieren können, hat mich beeindruckt. Auch die je eigene Sicht auf den Klimawandel“, sagt Dr. Norbert Laun vom Dienstleitungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz (DLR), das Ziel einer Exkursion nach Neustadt/Mußbach war.  

Gregor Rehm, Referent der Arbeitsstelle Frieden und Umwelt hat eine Exkursion nach Ramstein angeboten, an der auch Delegierte teilgenommen haben, die militärisches Eingreifen in der Ukraine als alternativlos ansehen. Das Gespräch mit Vertretern aus Kirche, Politik und Friedensbewegung fand er sehr gelungen. 

„Es ist ermutigend zu hören, dass Menschen wie wir vor Militärstandorten in anderen Ländern stehen und wir gemeinsam für den Frieden beten.“ 

Die Gäste aller Exkursionen waren beeindruckt von denkwürdigen Städten mit besonderer Geschichte, von eindrücklichen Gesprächen und gastfreundlichen Gemeinden. Betty Mutunda aus Kampala, Uganda, hat es die Gedächtniskirche angetan. "Hier in dieser Kirche spüre ich etwas vom Geist der Reformation. Und dass sie damals von Christen aus der ganzen Welt mitfinanziert wurde, finde ich sehr beeindruckend."  

Offene Fragen 

Pfarrerin Mechthild Werner hat das Pfälzer Programm mit dem landeskirchlichen Projektbüro-Team koordiniert. Ihr Fazit: „Ich bin froh, dass wir wirklich Gäste begrüßen konnten. Das Ganze war ein Kraftakt - und dann kräftig gelungen." Die Veranstalter der Exkursionen hatten einige Herausforderungen zu lösen. Geänderte Flüge, Zugausfälle, aber auch logistische Probleme innerhalb der ÖRK-Organisation stießen nur teilweise auf Verständnis. Gänzlich unverständlich blieb den Ökumene-Begeisterten das mangelnde Interesse der Kirchenbasis an der Tagung der Weltkirchen. Nur wenige nutzten die historische Chance, den ÖRK in Karlsruhe „vor der Haustür“ zu erleben.  

„Die Gemeinden und Pfarreien hätten das Wochenende auch gut für einen ökumenischen Gottesdienst mit weiteren Partnern wie etwa den Mennoniten nutzen können“, dies sei jedoch kaum geschehen, bedauert Susanne Laun von der Stabsstelle Ökumene im Bistum Speyer. Sie selbst setzt auf ökumenische Weite und freut sich über das gelungene Gastprogramm. So seien neben neuen Erfahrungen auch „ganz neue Netzwerke“ entstanden.  

Die Vollversammlung tagt noch bis zum 8. September in Karlsruhe, sie findet erstmalig in Deutschland statt.

v.l.n.r. Pfarrerin Christine Gölzer, Bischof Karl-Heinz Wiesemann, Reverend EUN JEONG SON, Erzpriester Georgios Basioudis, Oberkirchenrätin Marianne Wagner, Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst, Pfarrer Florian Gärtner, Mara Zöller (Foto: lk/is/Landry)