Speyer (lk). Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst hat die Mitglieder des saarländischen Landtags aufgefordert, besonders die Schwachen der Gesellschaft ins Zentrum ihrer Politik zu rücken. „Gott ist Lobbyist für die, die in dieser Welt zu den Verlierern zählen“, sagte Wüst am Montagmorgen im ökumenischen Gottesdienst in der Saarbrücker Christkönig-Kirche. Den Gottesdienst gestalteten zudem Thorsten Latzel, Evangelische Kirche im Rheinland, Weihbischof Otto Georgens, Bistum Speyer und Bischof Dr. Stephan Ackermann, Bistum Trier. Ebenso beteiligt waren die kirchlichen Beauftragten, Kirchenrat Frank-Matthias Hofmann, Evangelisches Büro Saarland und Ordinariatsdirektorin Katja Göbel, Katholisches Büro Saarland. Im Anschluss an den Gottesdienst waren die Vertreter der Kirchen zur konstituierenden Sitzung des neuen saarländischen Landtags eingeladen.
In ihrer Predigt betonte Wüst die Bedeutung sozialer Gerechtigkeit. Diese sei unabdingbar für eine funktionierende Gesellschaft. In einem Klima, das immer mehr von Konkurrenzdenken, Sozialneid und Existenzangst geprägt sei, brauche es eine mitfühlende Politik. „Für Hans Becker, der um seinen Arbeitsplatz fürchtet. Für Gudrun Schmitt, die einen Kita-Platz braucht. Für Liesel Meyer, die nicht weiß, wie sie den neuen Kühlschrank bezahlen soll. Für Horst Müller, der niemanden in Kurzarbeit schicken will. Für Adil, der sich kaum noch an Syrien erinnert und doch nicht wirklich ankommt in seiner neuen Heimat.“
Sie sei sich bewusst, dass Politik eine hohe Kunst sei, so Wüst. „Weil sie auf keinem Auge blind sein darf. Weil sie ein hörendes Herz braucht, wie es sich der biblische König Salomo gewünscht hat. Ein hörendes Herz. Politik mit allen Sinnen. Mit Herz und Verstand.“ Die in die Wohnzimmer und Fabrikhallen hineinfühle und ernst nehme, was Menschen umtreibt. Nur so könne aus einer Ich-Angst ein Wir-Gefühl werden. Wie anders solle so etwas wie Solidarität funktionieren, ohne die jede Gesellschaft auseinanderfalle in ein Hauen und Stechen? In diesem Sinne sei Gott auch ein Lobbyist der Freiheit. Mit Freiheit habe er die Menschen begabt und beschenkt. „Wir sind frei zu glauben und zu denken und zu fühlen. Wir sind frei, aus unserem Leben das zu machen, was zu uns passt. Und wir sind frei, das in Rücksicht auf und in Achtung vor und in Verantwortung für unseren Nächsten zu tun.“
Eingeladen zu dem Gottesdienst waren neben den neuen und ehemaligen Mitgliedern des Landtages auch der Landtagspräsident, der Landtagsdirektor und die Mitarbeitenden des Landtags ebenso wie die Öffentlichkeit.
Die Kollekte war bestimmt für die Arbeit der ökumenischen Telefonseelsorge Saar, die seit Beginn der Coronakrise und des Krieges in der Ukraine besonders stark in Anspruch genommen wird.