Logbuch „Birkenheide hilft“
06:10
Abfahrt im Frieden.
An der Lukaskirche steigen wir ein. Wir sind zu acht und fahren mit einem Sprinter und zwei Bussen mit Anhängern nach Polen. Man merkt, dass uns die letzten Tage alle ziemlich mitgenommen haben, emotional, aber natürlich auch arbeitstechnisch. Vom Organisieren bis zum Annehmen und Verpacken der Spenden, hatten wir alle Hände voll zu tun. Wir sind müde, es ist höllisch früh, aber wir sind bereit und trotz allem, keiner weiß, woher das kommt, voller Energie. Wir sind bereit zu helfen, also: Los gehts!
10:35
Erster Stopp.
Wir haben nun schon über vier Stunden hinter uns. Es wird nochmal aufgetankt, Proviant nach vorne geholt und weiter gehts. Wir haben eine gute Stimmung im Bus. Wir reden über das, was wir vorhaben, aber auch von leichteren Sachen. Mal was zum Lachen, das darf auch auf solchen Fahrten nicht fehlen. Wir wechseln nun auch die Fahrer. Max Niessner ist sehr lange gefahren und darf sich auch mal ausruhen - Karo Endrehs, die unsere Kontakte in die Ukraine hält, geht ans Steuer.
12:11
Ankunft in Polen.
Die Autobahnschilder sind jetzt nicht mehr blau sondern rot, alles steht überall auf Polnisch. Mit dem Grenzübertritt wird ganz schnell klar, weswegen wir hier sind. Es herrscht Krieg im Nachbarland, Menschen sterben und wir sind beladen mit Spenden. Auf der Autobahn vor uns, neben uns und hinter uns sehen wir alle paar Meter ein anderes deutsches Auto. Busse, die schwer bepackt an die Grenzen fahren oder zu Speditionen oder Organisationen. Alle, um zu helfen, wie wir.
13:54
An der Raststätte.
Wir tanken noch ein letztes Mal. An der Raststätte kommen wir mit zwei Deutschen ins Gespräch, die neben uns geparkt haben. Sie sind aus dem Münsterland und fahren schon zum zweiten Mal nach Polen. Wie wir werden die beiden Männer auch von mehreren Fahrzeugen begleitet. Alle schwer beladen mit Hilfsgütern. So traurig und geschockt wir sind, zwischen all die Gefühle mischt sich Hoffnung. Und Bewunderung für die Vielen aus allen Ecken Deutschlands, die eine lange Strecke auf sich nehmen, um hier Menschen in Not zu helfen.
16:20
Endlich am Ziel.
Wir stehen hinter einem großen Speditionsgebäude und werden umringt von Menschen. Wenn wir ehrlich sind, haben wir niemals damit gerechnet, dass wir so erwartet werden. Innerhalb von fünf Minuten haben all die vielen Männer und Frauen unsere Spenden ausgepackt und sortiert. Die Waren werden auf Paletten verfrachtet und eingelagert. Wir gehen mit einem Mitarbeiter mit, um uns das Ganze mal anzuschauen. Wahnsinn. Eine riesige Lagerhalle voller Spenden aus Deutschland und Polen ist hier auf Paletten bis zur Decke gestapelt.
17:00
Unter Hilfsbereiten.
Einer der Menschen, die hier anpacken ist Sebastian. Er ist Deutscher, mit Wurzeln in Kasachstan. Er versteht die polnische, ukrainische, russische sowie deutsche Sprache – sehr nützlich in diesem Einsatz. Wir fragen ihn, warum er das hier macht und wie
alles abläuft. Auch er kommt von einer christlichen Organisation aus Deutschland und koordiniert die LKWs, die Spenden aus Katowice über die Grenze und zu ihren Zielorten in der Ukraine bringen. Sebastian spricht locker mit allen Beteiligten. Wir sind dagegen auf gebrochenes Englisch oder den Google-Übersetzer angewiesen. Aber: Mit einem Lächeln können wir uns dennoch gut verständigen. Auch wenn Sebastian die Anstrengung ins Gesicht geschrieben steht – und die Traurigkeit über diesen Krieg.
17:30
Einkaufen für Flüchtende.
Zwei weitere Männer vor Ort fahren mit uns in verschiedene Läden, um Sachen von unseren Spendengeldern zu kaufen. Auf Englisch beraten wir, wofür die Gelder am besten ausgegeben werden können. Die Leute vor Ort wissen, was die Menschen in den Kriegsgebieten am meisten brauchen. Wir suchen Schlafsäcke, Isomatten und Co in einem Outdoorgeschäft, doch bei dem ersten Tritt ans Regal wird schnell klar: Es ist alles schon weg. Auch in der Apotheke haben wir leider kein Glück. Es erweist sich auch hier schwierig, an etwas Brauchbares ranzukommen, da vieles schon ausverkauft ist oder eben nicht ohne Rezept verfügbar.
Im großen Supermarkt nebenan haben wir mehr Glück! Vier Einkaufswagen füllen wir mit Powerbanks, Taschenlampen, Arznei, Erste-Hilfe-Kästen und Batterien.
Die Männer an unserer Seite erzählen, unsere Einkäufe sollen an das ukrainische Militär gehen und dass diese Männer auch Essen brauchen. Also füllen wir zwei von vier Wagen mit Dosenwurst. Unsere Begleiter sagen: Die schmeckt gut und passt in die Hosentasche - das geht sogar auf der Flucht! Es schlägt uns auf den Magen, als wir das hören und wir erneut realisieren, was für ein Drama sich hier abspielt.
18:50
Gespräche gegen die Sprachlosigkeit.
Wir sind wieder bei der Spedition, laden unsere Einkäufe aus. Auch hier sind die Leute vor Ort wieder sehr schnell. Kaum ein Blinzeln und die Sachen sind verpackt und auf Paletten im Lager verstaut. Jetzt haben wir nochmal die Chance, ins Gespräch zu kommen. Die Verständigung ist schwierig, aber alle wollen miteinander reden.
Es ist interessant, wie die Männer über die Nachrichten und Vorkommnisse in Polen berichten. Welche Eindrücke sie von diesem Krieg haben, was sie über ihre, aber auch unsere Politik denken. Die große Verbundenheit, die sie fühlen, wenn sie solche Arbeit leisten. Und wie dankbar sie sind für die Dinge des täglichen Lebens, die bei uns einfach im Supermarkt liegen.
20:00
Die Nachzügler kommen.
Nun kommen auch unsere Mitstreiter an. Zwei Transporter mit ihren Anhängern fahren auf den Hof. Sie sind so viel später als wir, da sie auf polnischen Autobahnen nur 80km/h fahren dürfen. Aber Hauptsache sie sind da. Sehr schnell ist alles verladen und organisiert. Auch sie sind müde und geschlaucht von dieser Fahrt, aber auch glücklich. Wir können helfen und dafür lohnt sich die Strapaze.
21:00
Abschied in Polen.
Wir verabschieden uns bei den Männern und Frauen vor Ort. Wir können unsere Dankbarkeit gar nicht richtig in Worte fassen, doch irgendwie verstehen sie uns. Wir kennen dieses Gefühl von fehlenden Worten momentan sehr gut. Wir wünschen ihnen viel Kraft, um durchzuhalten.
21:20
Schnelles Abendessen.
Ein junger Mann namens Lyubomyr organisiert uns noch schnell einen Platz in einem Burger-Restaurant. Wir haben vor lauter lauter nicht gemerkt, dass die Mägen knurren. Wir stärken uns, bevor es wieder hinters Steuer geht und heimwärts geht.
Es ist schön, nochmal zusammenzusitzen, alles Revue passieren zu lassen, doch uns allen ist auch die Erschöpfung anzusehen. Es tut gut, dass wir uns kurz Zeit nehmen können, um zusammen zu essen. Solche Tage schlauchen nicht nur körperlich.
22:00
Verteilung des Teams.
Nach dem Essen verabschieden wir uns von einem Teil der Gruppe. Drei Fahrer sind bereits wieder mit einem Fahrzeug unterwegs, Max Niessner, Karolina Endrehs und Michelle Sanderbeck fahren jetzt auch wieder nach Deutschland, in die Nacht hinein. Daniela und Christian Grell bleiben in Katowice und machen sich auf den Weg zum Hotel.
00:10
Ruhige Rückfahrt.
Erster Fahrerwechsel. Wir teilen uns den Rückweg gut auf, niemand von uns soll nochmal vier Stunden am Stück am Steuer sitzen. Jeder darf sich mal ausruhen. Die Rückfahrt läuft ruhiger ab. Einerseits natürlich, da wir müde sind und einige schlafen, andererseits aber auch, weil wir vieles erstmal verarbeiten müssen. Das wird wahrscheinlich nicht unsere letzte Tour nach Polen sein, so viel ist uns jetzt schon klar. Unsere Spenden und Gelder werden gebraucht, dieser Krieg ist noch nicht vorbei.
1:37
Kaffee tanken.
Nur noch ein paar Kilometer und wir sind wieder in Deutschland. Wir tanken nochmal ein letztes Mal in Polen, dort sind die Preise für Benzin und Diesel pro Liter fast einen Euro günstiger als in Deutschland. Dazu gibt’s noch eine Runde Kaffee und weiter geht die Fahrt. Wir haben noch nicht mal die Hälfte hinter uns.
3:24
Durchhalten und wachhalten.
Ab jetzt haben wir fast stündlich einen Fahrerwechsel. Wir halten uns gemeinsam wach, erzählen und blödeln rum, so dass wir durchhalten und sicher heimkommen. Zum Glück haben wir alle Humor, so fällt jedem von uns was ein, um den anderen zum Lachen zu bringen. Wir drei sind ein gutes Team!
8:00
Birkenheide schläft.
Wir kommen in Birkenheide an und stellen den Bus vor der Lukaskirche ab, an der wir vor mehr als 26 Stunden losgefahren sind. Es fühlt sich an, als wären wir tagelang weg gewesen. Wir verabschieden uns, steigen in unsere eigenen Autos und fahren heim. Endlich ein Bett zum Hinlegen! Nun wird erstmal geschlafen, das Ganze verdaut und dann geht es weiter mit „Birkenheide hilft“!
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