„Kirche hat eine Zukunft. Natürlich hat sie die.“
Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst rückte Gemeindestrukturen und „Knotenpunkte des Lebens“ in den Mittelpunkt ihres Vortrags zum Reformationstag in Eisenberg.
Eisenberg, Speyer (lk/is). In der Protestantischen Stadtkirche in Eisenberg sprach Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst am Reformationstag über das Thema „Kirche und Zukunft“. Im Anschluss diskutierte sie mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Veranstaltung.
Gesellschaftlichen Diskussionen, ob Kirche angesichts sinkender Mitgliedszahlen überhaupt eine Zukunft habe, trat die Kirchenpräsidentin entschieden entgegen: „Ich sehe uns nicht als die Titanic Gottes, die am Eisberg der Zeit gestrandet ist.“ Kirche sei nicht nur eine sichtbare Institution „mit Strukturen, die gottgegeben scheinen, aber menschengemacht sind. Kirche ist vor allem von Gott gestiftete Gemeinschaft von Menschen. In diesem Sinne hat Kirche eine Zukunft. Natürlich hat sie die. Und nicht deshalb, weil wir es reißen und in unglaublich mühseligen Debatten und Diskussionen um den Kurs des Schiffes endlich wieder zur Erfolgsgeschichte werden. Sondern weil Gott diese Kirche will.“
Mit Blick auf den Aufbau von Gemeinden skizzierte Dorothee Wüst Reformbedarfe. Kirche baue auf dem Wohnortprinzip auf: Da wo ich wohne, gehöre ich zur Gemeinde. Das sei praktisch, aber für viele Menschen und Lebensmodelle nicht nachvollziehbar, so Wüst: „Wir leben in Zeiten, in denen die Menschen so mobil sind wie nie zuvor. Kaum einer verbringt sein gesamtes Leben am ein und selben Ort.“ Mit Blick auf unsere Vorfahren im Glauben, auf Israel als „wanderndes Gottesvolk“, müssten wir uns eingestehen: „Gemeinde Gottes, Gemeinschaft Gottes ereignet sich, wo er es will, nicht notwendig dort, wo wir es planen. Und sie ist viel weiter und größer als die Parochie, in der ich lebe. Und das ist ein deutlicher Fingerzeig in die Zukunft.“
Grundsätzlich warb die Kirchenpräsidentin für einen pragmatischen Blick auf die Gegenwart und Zukunft: „Noch immer gehören circa 480.000 Menschen zu unserer pfälzischen Landeskirche. Die werden niemals alle hochverbunden sein und jeden Sonntag zum Gottesdienst kommen.“ Trotzdem seien diese Menschen ansprechbar, gerade an den „Knotenpunkten“ des Lebens mit Kasualien wie Taufe und Traugottesdienst. Von diesen kirchlich begleiteten Anlässen würden die Menschen lange zehren, selbst wenn sie nicht an den Sonntagen darauf in die Kirche kämen.
Und noch weitere Momente im Leben von Menschen könnten entdeckt werden: „Am Übergang von Kita zu Schule, von Schule zu Beruf. Beim Verlust des Berufs, beim Wechsel des Wohnortes. Wenn die Liebe verloren geht, wenn Liebe keine Erfüllung findet. Wenn Freundschaft sich ein Leben lang bewährt, wenn Kinder das Haus verlassen. So viele Beispiele für hochemotionale Lebensmomente, die die Chance haben, Gottesmomente zu sein.“ Diese Lebensstationen sollten zunehmend in den Blick kirchlicher Arbeit rücken.
Am Ende ihres Vortrags lud Dorothee Wüst die Zuhörerinnen und Zuhörer zum gemeinsamen Austausch und zur Diskussion ein und betonte: „Die Geschichte Gottes wird mit uns ein weiteres Kapitel schreiben.“
Hintergrund: Der Reformationstag erinnert an den Thesenanschlag Martin Luthers am 31. Oktober 1517 in Wittenberg. Seine 95 Thesen gegen den Ablass gelten heute als Beginn der Reformation. Deshalb feiern Protestantinnen und Protestanten am 31. Oktober Reformationstag und bekräftigen die Bedeutung der Reformation und ihren Auftrag in Gottesdiensten und Veranstaltungen.