Mehlingen (lk). In einem Festgottesdienst hat die Protestantische Kirchengemeinde Mehlingen eine neue Glocke ihrer Bestimmung übergeben. Sie ersetzt ein aus der Zeit des Nationalsozialismus stammendes Exemplar, das aufgrund der Aufschrift und eines Hakenkreuzes Anstoß erregte. Mit ihrer Aufschrift aus dem ersten Vers des Johannesevangeliums, „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“, klinge mit der neuen Glocke eine ganz andere Botschaft auf als die der alten, erklärte der ehemalige Oberkirchenrat Michael Gärtner in seiner Predigt. „Nichts auf dieser Welt ist wichtiger als Gott und als das, was er uns zu sagen hat. Weder Volk noch Führer noch Vaterland“, sagte Gärtner.
„Das Wichtigste ist Gott“ sei der Slogan gegen jeden persönlichen Egoismus und jeden Nationalismus, erklärte der Oberkirchenrat. Da Gott der Schöpfer der Welt sei, gebe es für ihn keine Grenzen, keine Unterschiede zwischen Menschen verschiedener Herkunft, verschiedener Hautfarbe oder verschiedener Religion. „Gott liebt alle seine Kinder – und alle seine Kinder sind Geschwister, von gleichem Wert, von gleichem Rang“, sagte Gärtner. Er erinnerte daran, dass diejenigen, die dies beim Guss der alten Glocke vor 86 Jahren gesagt hätten, bald ihres Lebens nicht mehr sicher sein konnten. „Das Wichtigste war Deutschland, die Nation, die arischen Rasse, die dazu ausersehen war, die ganze Welt zu beherrsche“, so Gärtner. Das Wort „Gott“ sei zwar noch in den Mund genommen worden, „aber eigentlich war er abgeschafft“.
Der Oberkirchenrat dankte Pfarrerin Ute Samiec und den Mitgliedern des Presbyteriums für ihr Engagement und die besonnen geführten Debatten über den Umgang mit der alten Glocke. „Das ist heute ein wichtiger Tag für Ihre Kirchengemeinde und der Abschluss eines langen und schwierigen Prozesses, den Sie zusammen mit Ihrer Pfarrerin wirklich vorbildlich absolviert haben. Ich gratuliere Ihnen“, sagte Gärtner.
Die mittlerweile abgehängte Glocke von 1933 gehörte zu fünf aus der Nazizeit stammenden Klangkörpern, die im Bereich der Evangelischen Kirche der Pfalz ermittelt werden konnten. Sie trug die Inschrift „Ins Dritte Reich hineingeboren, hat man mich für das Wort erkoren: Wir bitten nicht: Herr mach uns frei, erst Arbeit unsre Losung sei. Dann wenn das Werk in Gott getan, flehn wir dich, Herr, um Segen an.“
Die Finanzierung der 14.000 Euro teuren neuen Glocke wurde durch einen Fonds der Landeskirche ermöglicht. Gegossen wurde sie im Dezember 2018 in der Straßburger Glockengießerei „Societé André Voegele. Der Festgottesdienst wurde gestaltet von Pfarrerin Ute Samiec, den Prädikanten Albert Pflüger und Ernst Bähr, sowie Dekan Matthias Schwarz. Lydia Pflüger und der Kirchenchor Mehlingen setzten die musikalischen Akzente.