Neustadt (lk). Die fast zwei Jahrzehnte dauernde Suche nach der Neustadter Bibel von 1587/88 hat ein glückliches Ende gefunden: Der Museumsleiter des Pfälzischen Bibelmuseums in Neustadt an der Weinstraße, Michael Landgraf, hat die erste Lutherbibel mit reformierten Kommentaren, verfasst von dem am Neustadter Casimirianum lehrenden David Paräus, über Kontakte zum Museum of the Bible in Washington D.C./USA ausfindig gemacht und nun „nachhause“ in die Pfalz geholt.
„Damit haben wir mit der unkommentierten 1579er und der großformativen Folio-Ausgabe von 1594 nun die drei repräsentativen Neustadter Bibeln vor Ort“, freut sich Landgraf über den wertvollen Neuzugang. Die drei Bibeln seien Zeugnis einer Epoche, in der Neustadt mit seiner Hochschule, dem Casimirianum, ein europaweit beachtetes Zentrum der reformierten Welt war. Übergeben hat die Bibel der Kurator des Museums of the Bible, David Trobisch, anlässlich einer Stippvisite in Deutschland. Die Bibelausgabe von 1587/88 sei damals ein „echter Aufreger“ gewesen, sagt Landgraf. Bei ihrem Erscheinen habe sie heftige Reaktionen in der lutherischen Welt ausgelöst und den Konfessionalismus mit gefördert.
In der Beschreibung von Michael Landgraf zur Historie heißt es u.a.: Kurfürst Friedrich III. führte um 1561 die Lehre Calvins in der Kurpfalz ein – als erstes Territorium im Reich. Heidelberg wurde Zentrum reformierter Lehre, deren Grundlage der 1563 von Zacharias Ursinus herausgegebene „Heidelberger Katechismus“ war. Als Friedrich III. 1576 starb, begannen Jahre konfessioneller Zweigleisigkeit. Friedrichs Sohn Ludwig VI. (Kurfürst 1576-1583) war strenger Lutheraner. Reformierte Professoren mussten Heidelberg verlassen und fanden Aufnahme im Herzogtum Pfalz-Lautern. Dort schuf ihnen in Neustadt Ludwigs Bruder Johann Casimir mit dem Casimirianum 1578/79 eine neue Hochschule. Unter ihnen war Zacharias Ursinus, der 1583 starb. Sein Schüler David Pareus führte dessen Werk weiter und kommentierte schließlich die 1587/88 erschienene Ausgabe der Neustadter Bibel.
Welche Bibelübersetzung sollte in der reformierten Kurpfalz verwendet werden? Statt der reformierten Zürcher Bibel von Huldrych Zwingli entschied man sich für den Luthertext. Allerdings waren Luthers Zusätze nicht mit der reformierten Lehre vereinbar, sodass man diese entfernte. Umgesetzt wurde dies in handlichen Bibelausgaben, die 1568/1569 in Heidelberg und 1579 in Neustadt erschienen. Außer den Vorreden zum Alten und Neuen Testament sowie zu den Propheten waren die meisten Anmerkungen Luthers beseitigt.
Der nächste Schritt war eine Bibelausgabe mit reformierten Kommentaren. Diese verfasste David Pareus (1548-1622), der mit der Neustadter Bibel von 1587/88 wieder eine handliche Ausgabe im Quartformat schuf. Inhaltlich entwickelte sie sich durch die Kommentierung zu einem Lehr- und Verkündigungsbuch reformierter Prägung weiter. Vereinzelt wendet sich Pareus gegen Katholiken, Täufer und Lutheraner. Er mahnt ein Leben an, das sich an der Heiligen Schrift orientiert und sich vor Trunksucht und Unzucht fernhält. Politisch solle der jungen Kurfürst Friedrich IV. für ein geordnetes Glaubensleben sorgen.
Die Reaktion auf den Neustadter Bibeldruck kam prompt. 1588 erschien eine Streitschrift von Jakob Andreä, dem Kanzler der Tübinger Universität. Er beschimpfte das Werk des Pareus als „Erzbubenstück“ und „calvinistische verdammte Ketzerei“, dessen Ergebnis eine mit des „Teufels Kot“ beworfene Lutherbibel sei. Es würden Irrtümer verbreitet und Luthers heilsame Lehre „ausgekratzt.“ Der Streit sei ein Beispiel für die Trennung der protestantischen Konfessionen, der im Konfessionalismus endete. Erst die Union der Protestanten vor genau 200 Jahren konnte, zumindest in der Pfalz, den Zwist zwischen Lutheranern und Reformierten beenden, so Landgraf.
Literaturhinweis: Michael Landgraf (Hg.): Die Bibel und die Pfalz. Ubstadt-Weier 2005; Die Neustadter Bibel von 1579. Mit einer Einleitung von Michael Landgraf. Hg. von der Stiftung zur Förderung der Pfälzischen Geschichtsforschung, Reihe D. Neustadt an der Weinstraße 2009.
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Übergabe der Neustadter Bibel 1587/88 an Museumsleiter Michael Landgraf am 23. August 2018 durch Dr. David Trobisch vom Museum of the Bible in Washington D.C.