Johannes 7,37–39
„Aber am letzten, dem höchsten Tag des Laubhüttenfestes trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.“
Vergangenen Samstag war ich in Neustadt zu Gast. Ein Vierteljahrhundert Fördergemeinschaft Alte Winzinger Kirche. 30 Jahre zuvor wurde die Alte Winzinger Kirche geschlossen. Vor 55 Jahren – genauso alt wie ich gerade bin. Und es ist ganz schön spannend, was in dem halben Jahrhundert alles passiert ist in Neustadt.
Was wäre gewesen, wenn 1981 kein Grab in der Nord-Westecke der Kirche gefunden worden wäre? Wie sähe es heute aus, wenn Pfarrer Suchaneck 1996 nicht den Anstoß gegeben hätte, die wunderschöne Kirche zu erhalten und mit Leben zu füllen? Ich will es mir gar nicht ausmalen. Vielmehr freue ich mich daran, dass die Alte Winzinger Kirche aus dem Dornröschenschlaf geweckt wurde.
Unzählige Veranstaltungen, Märkte und Konzerte, Jubiläen, Hochzeiten und Taufen haben seitdem stattgefunden. Und das, obwohl doch seit 1965 die Martin-Luther-Kirche die Hauptkirche mit viel mehr Sitzplätzen ist.
Die Fördergemeinschaft Alte Winzinger Kirche feiert in diesen Wochen ein ganz eigenes „Erntedankfest“. Dank für den Lohn der Mühen, die reiche Ernte – die sie einfahren dürfen. Stolz blicken Vereinsmitglieder auf eine lange Tradition, die sich in Stein und Fresken, Wand- und Glasmalereien der Alten Winzinger Kirche manifestiert. Eine reiche Tradition, die zurückreicht bis in die Anfänge der karolingischen Zeit, das 13. Jahrhundert des gotischen Grundbaus und die Barockisierung im 18. Jahrhundert. All das lässt sich nun dank ihres Engagements wieder entdecken und erleben.
Die Weitergabe des Feuers ist eben nicht das Hüten der Asche, sondern die Weitergabe der Glut. Und dass da Menschen für die Alte Winzinger Kirche brennen und glühen für ihre Sache – das steht außer Frage. Darum haben sich auch viele anstecken lassen. Und machen mit. Und freuen sich mit an dem, was gelungen ist – und was noch alles Schönes kommen wird.
Bei allen meinen Fundraising-Aktivitäten habe ich aber auch immer gespürt: ich kann mit meinem Dream-Team noch so viel anstoßen, planen und umsetzen … Am Ende muss der Segen Gottes darauf liegen, muss der Geist Gottes den Projekten Leben einhauchen. Sonst wird aus allem menschlichen Denken und Wollen nichts.
Und da bin ich mitten im Predigttext für den vergangenen Sonntag Exaudi. Die Juden feiern das Laubhüttenfest. Es ist gewissermaßen ihr Erntedankfest. Und es vereint viele Facetten und Traditionen der Geschichte Israels in sich. Der Dank für den Regen und die Ernte verbindet sich mit dem Dank für die Bewährung während der 40jährigen Wüstenwanderung. Dem Dank für Wasser und Manna, das Gott in entbehrungsreichen Zeiten schenkte. Die undichten Laubhütten – notdürftig mit Palmzweigen gedeckt – stehen dabei zeichenhaft für das Nomadendasein in Zelten.
Symbolisch schöpfen die Priester Wasser im Teich Siloah. Mit diesem Teich ist der Wunderglaube verwoben, dass von Zeit zu Zeit ein Engel das Wasser in Wallung bringt. Dann wird es zu lebendigem Wasser. Zu Wasser, das schwerkranke Menschen heilen kann. Dieses Wasser aus dem Teich Siloah tragen die Priester um den Altar Gottes im Tempel Jerusalems.
Da tritt Jesus auf. Am letzten Tag des Festes. Steht auf und bezieht Stellung. Bezieht diese uralte Tradition auf sich und sein Jüngerinnen und Jünger. Ströme lebendigen Wassers. Die werden nicht in Teichen geschöpft und in Ruinen vergossen. Die versickern nicht an Altären. Die verdunsten nicht auf Steinfließen. Sondern – die fließen von Jesu Leib und durch ihn und seinen Geist. Über und über und auf die, die ihm folgen.
Diesen Geist des Lebens wird Christus nach seiner Himmelfahrt senden. Und wer sich von ihm anstecken lässt, wird selbst über und überfließen vom Mehrwert des Lebens. Wird andere anstecken. Und weitergeben, was er empfangen hat. Wie bei dem Kinderspiel, wo alle in einer Schlange stehen. Und es geht darum, vom Anfang der Reihe bis zum Ende möglichst viel Wasser von Becher zu Becher zu schütten.
Wir stehen gewissermaßen in dieser Reihe. Gehören zu denen, die weitergeben, was sie gehört, gesehen und erlebt haben. Der Reihe von Zeugen, die denen geben, die durstig sind. Die voller Sehnsucht sind nach Leben und Lebendigkeit. Angefangen bei den ersten Jüngerinnen über die ersten Christen, die ersten Gemeinden und Kirchen, bis zu den verschiedenen Konfessionen und Traditionen. Wir stehen mit ihnen – unsichtbar verbunden – in einer Reihe und geben das Wasser des Lebens und das Feuer der Tradition weiter. Stillen den Durst, das Sehnen nach Glück, nach Liebe, nach Frieden, nach Ganzsein …
Manchmal gelingt uns das mehr oder weniger gut. Da wird auch mal was verschüttet … oder die Flamme unseres Hoffnungslichtes erlischt, weil wir zu hastig sind. Aber ohne uns wäre die Reihe ganz unterbrochen, wäre der Faden nur schwer wieder aufzunehmen, würde die Glut zur Asche werden. So kommt es bei allem darauf an, dass wir nehmen und geben. Denn wer nicht nimmt, kann auch nicht geben. Und wer nicht gibt, lässt andere nicht nehmen.
Jesus ermuntert uns dazu, von den Strömen lebendigen Wassers bei ihm zu schöpfen. Er will, dass wir teilhaben am Überfluss der Liebe Gottes. Und dass wir dann selbst überströmen, damit andere davon Leben haben.
Es ist der Geist Gottes, dem wir das alles zutrauen. Und den wir an Pfingsten feiern. Wo er weht, da spüren andere das. Genauso wie wir Geistlosigkeit erahnen. In Winzingen weht Gottes Geist durch jede Mauerritze. Nicht, weil die da nicht ganz dicht sind, sondern weil ihre Liebe zur Sache in jedem Pinselstrich zu entdecken ist.
Wer hätte vor 25 Jahren gedacht, welche Lebensströme die Fördergemeinschaft Alte Winzinger Kirche entfesselt? Und doch bin ich davon überzeugt, dass Pfarrer Suchanek dem Geist Gottes gewaltig etwas zugetraut hat, als er mutig den ersten Schritt tat.
Die Alte Winzinger Kirche wurde nicht nur aus dem Dornröschenschlaf geweckt, sondern es wurde ihr neues Leben eingehaucht. Ihre Förderer sind selbst zu lebendigen Steinen geworden, aus denen Gott seine Kirche bauen will. Darauf liegt Gottes Segen. Auf seinen lebendigen Geist kann ich bauen. Amen.