Woche der Brüderlichkeit: Kirchenpräsident fordert Solidarität mit Verfolgten heute 

Verantwortung braucht Erinnerung

Kirchenpräsident Christian Schad (mitte) mit Landesrabbiner Henry G. Brandt (rechts) und Bischof Karl-Heinz Wiesemann (links). Foto: Kunz

Ludwigshafen (lk). Nach den Worten des pfälzischen Kirchenpräsidenten Christian Schad darf unter die Erinnerung an das während des Naziregimes an der jüdischen Bevölkerung begangene Unrecht kein Schlussstrich gezogen werden. Vielmehr verpflichte der Rückblick auf die Geschichte und auf die eigene Mitverantwortung auch die Kirchen in besonderem Maße zur Solidarität mit den gegenwärtig zu Unrecht verfolgten Menschen. „Frauen, Männer und Kinder kommen in diesen Tagen bei uns an, weil die Gewalt sich immer mehr ausbreitet und sie an Leib und Leben bedroht. Helfen wir denen, die es nach schlimmen Erfahrungen zu Hause und auf der Flucht bis hierher geschafft haben und heißen wir sie unter uns herzlich willkommen“, sagte Schad zur bundesweiten Eröffnung der „Woche der Brüderlichkeit“ in Ludwigshafen.

Der Kirchenpräsident erinnerte in seiner Ansprache in der Christlich-Jüdischen Gemeinschaftsfeier im Pfalzbau daran, dass auch die evangelische Kirche im nationalsozialistischen Unrechtsstaat stumm geblieben sei: „Es gab keinen Aufschrei in unseren Kirchen. Es mangelte an Klarheit. Als Volk und als Kirche sind wir in einen ungeheuren Abgrund gestürzt.“ Die Scham über zugefügtes Unrecht, die Verantwortung für die Folgen vergangener Schuld und die Pflicht zur Erinnerung müssten heute das gemeinsame Handeln bestimmen.

Mit Blick auf den Leitgedanken der Woche der Brüderlichkeit „Im Gehen entsteht der Weg“ forderte der Kirchenpräsident dazu auf, dass nur in „wahrhaftiger Reue neue gemeinsame Wege entstehen können“. Die Belastung der Geschichte durch die Nazi-Zeit sei bleibend, sagte Schad. „Wir sind alle von ihren Folgen betroffen und für sie in Haftung genommen.“ Dementsprechend habe die Evangelische Kirche der Pfalz bereits 1995 in ihrer Verfassung die Selbstverpflichtung festgeschrieben, jeder Form von Judenfeindschaft entgegenzutreten.

Impulse für die christlich-jüdische Begegnung setzten anlässlich der Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit auch Schüler der Integrierten Gesamtschule Ernst Bloch aus Ludwigshafen. In einer Ausstellung präsentierten sie Bilder, Skulpturen und Objekte zum Thema „Im Gehen entsteht der Weg“. So entwarfen Abiturienten unter dem Leitgedanken „Religionen spielend lernen“ Spiele zu Judentum, Christentum und Islam für Schüler der Jahrgänge 9 und 10, wie Schulpfarrerin Anke Lind mitteilte. Schüler der zehnten Jahrgangsstufe hatten sich auch mit dem Schicksal heute verfolgter Menschen befasst, die im „Café Asyl“ der Protestantischen Kirchengemeinde Ludwigshafen-Mundenheim Hilfe und Unterstützung erfahren.

Die christlich-jüdische Gemeinschaftsfeier in Ludwigshafen wurde von Landesrabbiner Henry G. Brandt, Bischof Karl-Heinz Wiesemann und Kirchenpräsident Christian Schad gestaltet. Dabei erinnerte Wiesemann an die lange und große Geschichte jüdischen Lebens und ihrer Gelehrsamkeit in den rheinland-pfälzischen Städten Speyer, Worms und Mainz. Dankbar nehme man wieder jüdisches Leben in dieser Region wahr und wisse um die damit verbundene Verantwortung. Für Landesrabbiner Brandt zeigen die Weggeschichten der Bibel, „dass Gott sein Volk zum eigenverantwortlichen Gehen erzogen hat“. Diese Verantwortung gelte es mit Leben zu erfüllen.

Die „Woche der Brüderlichkeit“ findet seit 1952 jedes Jahr statt. Sie wird getragen von den Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Deutschland.