...und es hat Zoom gemacht 

Auslandsseelsorge und Sommervertretung in Zeiten von Corona

Gottesdienst im Garten von Pfarrerin Heiderose Gärtner-Schultz in Ungarn. Foto: Gärtner-Schultz

Heiderose Gärtner-Schultz. Foto: privat

Klaus Eicher. Foto: privat

Bernd Rapp. Foto: privat

Thomas und Monika Vieweg. Foto: privat

Speyer/Hévíz/Barcelona/London/Altentreptow (lk). Sie betreuen als Auslandspfarrerin und Auslandspfarrer seit Jahren deutschsprachige evangelische Gemeinden und Tourismusgemeinden in Ungarn, Spanien und Großbritannien. Oder springen in Mecklenburg-Vorpommern als Sommervertretung ein.

Bernd Rapp wechselte 2016 von der Pirmasenser Johanneskirche in den Pfarramtsbereich London-Ost der Evangelischen Gemeinden in der britischen Hauptstadt. Klaus Eicher betreut seit vier Jahren das deutschsprachige Tourismuspfarramt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Dénia an der Costa Blanca. Zuvor war Eicher Pfarrer an der Friedenskirche in Ludwigshafen. Die Pfälzer Pfarrerin Heiderose Gärtner-Schultz ist in der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde Balaton-Hévíz in Ungarn im Einsatz. Thomas Vieweg, der ehemalige Dekan des Kirchenbezirks Kirchheimbolanden (heute Donnersberg), hat mit seiner Frau Monika für drei Wochen die evangelische Gemeinde in Altentreptow in Mecklenburg-Vorpommern betreut. Mit Corona und dem Lockdown kamen neue Herausforderungen für die Seelsorger.

Heiderose Gärtner-Schultz, 65, ist seit Anfang 2017 Tourismuspfarrerin in Ungarn. Als Tourismusgemeinde haben wir Mitglieder und viele Interessierte in Deutschland, der Schweiz und in Europa. Sie erhalten unseren Infobrief und regelmäßige Einladungen. Da wir in der Zeit des Lockdown über drei Monate jeden Sonntag Onlinegottesdienste angeboten haben, ist diese „virtuelle“ Gemeinde gestärkt worden. Es gab jeweils nach den Gottesdiensten regen Austausch über E-Mail und soziale Netzwerke. Gleichzeitig hat diese Aktivität auch die Gemeindeglieder vor Ort zusammengehalten. Ein in New York lebender Sohn eines Residentenehepaares bedankte sich für unsere Arbeit und dafür, dass wir seinen Eltern damit ein Stück Normalität zurückgegeben haben, die sie durch den Lockdown verloren hatten.

Wir haben einen Kirchenraum, der auch als Gemeinderaum fungiert. Bedingt durch die Abstandsregelungen ist er für die Gottesdienstgestaltung zu klein. Es wurde entschieden, ein bis zwei Mal im Monat im Park eines alten Mühlengeländes einen Gottesdienst mit Rahmenprogramm anzubieten. Das Abendmahl wird mit Einzelkelchen und der Hostie auf einem kleinen Plastikteller ausgegeben. Ein ganzer Tag Zusammensein und gemeinsam feiern wird uns dadurch gewährt. Es gibt auch ältere Menschen in unserer Gemeinde, die unter der Isolation besonders gelitten haben. Auffälligerweise wurden gerade von dieser Gruppe einige nach Beendigung der strikten Regeln krank oder starben sogar. Eine schwer zu interpretierende Tatsache. Ich denke, sie haben die Zeit der Quarantäne durchgehalten und dann ließen die Kräfte nach.

Wir alle wissen nicht, wie es weitergeht. Aber die Erfahrung, dass wir aus allem, was uns bisher begegnet ist, das Beste für alle machen, trägt und begleitet uns. Gott schickt uns durch die Gegebenheiten und Bedingungen auf die Reise und wir gehen mit.“

Klaus Eicher, 56, ist bis 2022 an die Costa Blanca entsandt. „Spanien war ja über lange Zeit das in Europa am stärksten von der Pandemie betroffene Land. Konkret gab es für den Lockdown und unsere kirchliche Arbeit verschiedene „Etappen“. Als Pfarrer hatte ich eine Ausnahmegenehmigung dank einer Bescheinigung des Konsulates. Dadurch konnten für Menschen in Notlagen Erledigungen gemacht werden, allerdings auch nur im Umkreis des Wohnortes. Mein Arbeitsgebiet umfasst die Provinzen Alicante und Valencia, aber es war nicht möglich, von einer Provinz in die andere zu reisen. Jedoch gab es in dieser Zeit eine intensive seelsorgerische Arbeit am Telefon.

Neben den an der Costa Blanca rund 23.000 deutschen Residenten waren noch viele Deutsche im Land. Sie sind normalerweise nur halbjährig hier. Sie konnten aber nicht ausreisen. In dieser Zeit waren auch alle Kirchen geschlossen. Für uns bedeutete das, unsere Arbeit zu digitalisieren: Täglich ein Abendgebet per WhatsApp, Twitter oder Facebook. Gesprächsrunden und Talk-Angebote mehrmals wöchentlich per Videokonferenz „Zoom“. Auch Sonntagsgottesdienste, selbst mit Abendmahl, haben wir online gefeiert. Den Gemeindegliedern tat es gut, sich zumindest auf diese Weise zu sehen. Im Nachhinein war es positiv, dass sich die Menschen der unterschiedlichen Orte, an denen wir präsent sind, näher kennenlernten. Auch den Kontakt zu „treuen Urlaubern“ konnten wir so halten. Elektronische Vernetzung ist in Spanien selbstverständlicher als in Deutschland. Dennoch sind Menschen, die nur analog unterwegs sind, womöglich auf der Strecke geblieben.

Seit Anfang Juli feiern wir wöchentlich wieder „echte“ Gottesdienste und laden auch wieder zu Begegnungen in Cafés oder am Strand ein. Die Bilder von Party-Touristen aus Mallorca sind ja in Deutschland bekannt. An der Costa Blanca ist der deutsche Tourismus jedoch anders geprägt. Deutsche machen vorwiegend in Ferienwohnungen oder Privathäusern Urlaub. Viele bleiben aber in diesem Jahr zuhause. Auch das wirkt sich auf unsere Angebote aus: Das geplante Sommerprogramm mit Gottesdiensten, Wanderungen, Stadtführungen, Andachten beim Sonnenuntergang am Strand wurde reduziert. Insgesamt lässt sich die Situation zurzeit als eine sehr vorsichtige beschreiben, mit der großen Befürchtung, was sein wird, wenn es zu einer zweiten Welle kommen sollte.“

Bernd Rapp, 48, trat 2016, kurz nach dem Referendum über den „Brexit“, seinen Dienst als Auslandspfarrer in London-Ost an. „Am 23. März kam dann auch in Großbritannien der sogenannte „Lockdown“. Es hieß: „Stay at home“, bleib zu Hause. Und natürlich waren auch die Kirchen zu – und keine Gottesdienste erlaubt. Nach der ersten Schockstarre kam die Gemeinde auch hier auf die Idee, die Plattform „Zoom“ zu nutzen.

Seitdem gibt es wöchentlich eine virtuelle Andacht am Mittwochmorgen, ein Hauskreistreffen freitags und jeden Sonntag Gottesdienst. Das mag nicht nach allzu viel klingen, heißt aber für die Gemeindeglieder, die sehr verstreut wohnen, dass sie nun viel mehr Angebote ihrer Gemeinde nutzen können als vorher. Nach wie vor sind alle Veranstaltungen online gut besucht und die Teilnehmerzahl am Gottesdienst übersteigt die Zahl derer, die vorher zu den Gottesdiensten vor Ort gekommen waren. Noch überregionaler ist alles geworden, ja sogar international. Die neuen Möglichkeiten schaffen auch neue Begegnungsmöglichkeiten. Gerade Seniorinnen und Senioren, die hier erstaunlich gut und oft „vernetzt“ sind, nutzen die Angebote dankbar.

Und die anderen? Das gute alte Telefon hat sich wieder als wichtiges Kommunikationsmittel gezeigt. Dankbar waren die Gemeindemitglieder auch über einen Brief mit einem Gruß in dieser schwierigen Lage. Die Nachbarschaftshilfe hat überall gut geklappt und die Netzwerke von Telefonanrufen und gegenseitiger Ermutigung haben sich als tragfähig erwiesen.

Und wie geht es weiter? Vieles ist schon wieder gelockert, auch Gottesdienste wären im Prinzip wieder möglich. Allerdings sind die meisten Gemeindemitglieder auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, die von vielen aber noch gemieden werden. Die Angst vor einer „zweiten Welle“ ist einfach sehr groß – und auch die Hürden, die Kirchen wieder für Gottesdienste zu öffnen. Und warum sollte man einen Gottesdienst, bei dem man nicht singen darf, weit entfernt voneinander bleiben muss und wo es schwierig wird, im Anschluss einen Tee miteinander zu trinken, gegen einen Gottesdienst tauschen, der „frei Haus“ geliefert wird?

Es wird spannend zu sehen, was in den nächsten Wochen „zurück zur Normalität“ heißen wird. Denn inzwischen sind die Online-Angebote ja auch „normal“. Aber den Tag, an dem wir wieder gemeinsam in der Kirche Gottesdienst und am Tisch des Herrn Abendmahl feiern und uns dann auch wieder voll und ganz und in 3D begegnen können, den sehnen wir dennoch alle herbei!“

Thomas Vieweg, 68, Pfälzer Pfarrer im Ruhestand, hat Erfahrungen als Auslandsseelsorger und in Sommervertretungen. Unter anderem war Vieweg als Seelsorger in evangelischen deutschsprachigen Gemeinden in Russland und in Schweden. „Das Pfarramt Altentreptow in Mecklenburg-Vorpommern schließt acht Dörfer mit ein. Viele der Kollegen in den Nachbargemeinden haben noch größere Gebiete zu versorgen, so dass ein normaler Vertretungsdienst in den Sommermonaten einfach nicht möglich ist. Deshalb wurden wir angefragt. Nur etwa 20 Prozent der Bevölkerung in der Region sind kirchlich gebunden. Zwölf Prozent sind evangelisch.

Ausgestattet mit einem offiziellen Corona-Dienstausweis der Propstei gestalteten wir Gottesdienste, Nachgespräche und Gemeindeabende. Die intensivsten Gespräche waren vor und nach den Gottesdiensten. Hier „taute“ die mecklenburgische Zurückhaltung förmlich auf. Trotz Einhaltung des Abstands entstand viel Nähe. Themen waren etwa persönliche Plus- und Minus- Geschichten in Zeiten von Corona. Oder: Wie geht es mit der Kirche weiter im Dorf und warum zieht die Jugend weg.“

Hintergrund: Fast 120 Pfarrerinnen und Pfarrer sind im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zurzeit im Auslandseinsatz – in Europa und auf dem ganzen Globus. Sie betreuen die deutschsprachigen Gemeinden, die es an vielen Orten der Welt gibt. Rund zwei Millionen evangelische Deutsche leben dauerhaft im Ausland, viele andere machen Urlaub. Auslandspfarrer werden von der Evangelischen Kirche in Deutschland für sechs Jahre entsandt, eine Verlängerung des Dienstes um weitere drei Jahre ist möglich.