Kirche und Staat 

„Nicht aus Öffentlichkeit zurückziehen“

Zum Auftakt der Synode hielt Kirchenpräsident Christian Schad seinen Bericht. Foto: Landry

Speyer (lk). Das Subsidiaritätsprinzip, wonach gesellschaftliche Aufgaben nicht zuerst vom Staat, sondern eigenverantwortlich von gesellschaftlichen Gruppierungen gelöst werden sollen, spielt im Verhältnis von Kirche und Staat eine entscheidende Rolle. In seinem Bericht vor der in Speyer tagenden Synode hat Kirchenpräsident Christian Schad Forderungen eine Absage erteilt, wonach sich die Kirchen aus öffentlichen Aufgaben zurückziehen sollten: Die finanziellen Mittel für ihre Kindergärten, Jugend- oder Altenhilfeeinrichtungen erhielten die kirchlichen Träger nicht, „weil wir Kirchen sind, sondern weil wir den Staat bei zentralen gesellschaftlichen Aufgaben unterstützen“, sagte Schad am Mittwoch. 

Bei der Förderung kirchlicher Institutionen durch den Staat handle es sich nicht um „ungerechtfertigte Subventionen“, unterstrich der Kirchenpräsident. Vielmehr trage das Prinzip der Subsidiarität in einem säkularen Staatswesen wie Deutschland zum Gemeinwohl bei. Daher müsse Kirche immer wieder neu vermitteln, was sie mit ihrem Geld für die Gesellschaft leiste – und dass das Recht, Steuern zu erheben, kein „Privileg der Kirchen“ sei. Es dürfe nicht unterschätzt werden, „wie viele segensreiche Aktivitäten für Kirche und Gesellschaft durch die Kirchensteuer möglich sind“. Mit ihr leisteten die Gemeindemitglieder freiwillig einen Beitrag zur Finanzierung kirchlicher Aufgaben, der ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit angemessen sei. „Dieser Grundgedanke trägt auch in Zukunft“, sagte Schad. Das schließe freilich nicht aus, sondern ein, dass zusätzlich andere Wege der Finanzierung, wie etwa das Fundraising, „nicht bloß berechtigt, sondern immer mehr auch notwendig“ seien.

In seinem Bericht zum Verhältnis von Kirche und Staat unterstrich Schad, dass die offene und fördernde Neutralität der Bundesrepublik Deutschland den Kirchen gegenüber prinzipiell auch allen anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zukomme. Für den Staat bedeute das, „dass er Religion respektiert, ohne sich mit ihr zu identifizieren; dass er den Glauben achtet, ohne über ihn zu verfügen und dass er den Glaubensgemeinschaften Raum gewährt, ohne sie in seine Abhängigkeit oder sich in ihre zu bringen“. Die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit fördere zudem die Integration Verschiedener und stärke die Idee einer aktiven und partizipatorischen Zivilgesellschaft, sagte Schad.

Entsprechend verpflichte die Idee des freiheitlich-säkularen Staates auch dazu, den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften einen angemessenen Rahmen für den Religionsunterricht zu ermöglichen. Eine umfassende kulturelle Bildung komme nicht ohne religiöse Bildung aus – deshalb beteilige sich die Kirche an der Gestaltung von Schule und Bildung. Nur der religiös Gebildete sei fähig, die Freiheit, die ihm der weltanschaulich-neutrale Staat gewähre, auch tatsächlich wahrzunehmen und eigenverantwortlich zu leben.

Angesichts aktueller Populismen „mit ihrer Lust auf Pauschalurteile und einfache Antworten“ regte Schad eine „Neuvermessung der Relativität des Politischen“ an. Demokratische Errungenschaften wie Weimarer Verfassung von 1919, das Grundgesetz von 1949 und Friedliche Revolution 1989 in der ehemaligen DDR zeigten, dass der christliche Glaube auch „politisch wirksam“ sei. Die Zahl der Menschen, die sich zur Kirche halten, gehe zwar zurück und die finanziellen Mittel der Kirche würden geringer. Diesen Prognosen stünden jedoch neue Aufbrüche gegenüber: „Es entsteht ein Gespür dafür, dass ein komplett diesseitiges, konsumzentriertes Leben zu banal und zu oberflächlich ist.“ Je unerbittlicher die europäische Welt auf die globalisierte Wirtschaft ausgerichtet sei, desto stärker werde nach Gegenkräften gefragt. Die Seele des Menschen rebelliere mit einer neuen Zuwendung zur Religion und einer neuen Aufmerksamkeit für Frömmigkeit und Spiritualität gegen eine Reduktion auf das rein Kommerzielle. „Eine gelebte Frömmigkeit, die glaubwürdig und befreiend ist, stabilisierend und widerstandsfähig, das sind für mich die entscheidenden Lebens- und Überlebensressourcen unserer Kirche.“

Hintergrund: Der Landessynode der Evangelischen Kirche der Pfalz gehören 70 Synodale an – 45 weltliche und 25 geistliche. Acht der 70 Mitglieder sind berufen, davon zwei als Jugendvertreter. Synodalpräsident ist der Kaiserslauterer Jurist Hermann Lorenz. Dem Präsidium gehören außerdem der Dekan des Kirchenbezirks An Alsenz und Lauter, Matthias Schwarz, als erster Vizepräsident und Ministerialrat Joachim Schäfer aus Carlsberg als zweiter Vizepräsident sowie Rommi Keller-Hilgert und Daniela Freyer als Beisitzerinnen an. Die Landessynode ist als kirchliche Volksvertretung die Inhaberin der Kirchengewalt. Sie trifft wesentliche Entscheidungen in den geistlichen, rechtlichen und finanziellen Bereichen der Landeskirche. Ihre Amtszeit beträgt sechs Jahre.

Hinweis: Die Landessynode tagt vom 22. bis 25. Mai 2019 im Mutterhaus der Diakonissen Speyer, Hilgardstraße 26, in Speyer. Schwerpunktthema der Tagung ist am Freitag, 24. Mai, der demografische und gesellschaftliche Wandel und seine Auswirkungen auf Kirche und Diakonie. Die öffentlichen Sitzungen beginnen am Donnerstag, Freitag und Samstag jeweils um 9 Uhr.