Das Kirchenlied 

Ausdruck von Frömmigkeit und Protest

Professor Irene Dingel (Mitte), Bibliotheksleiterin Traudel Himmighöfer und Kirchenpräsident Christian Schad.

Kirchenpräsident Christian Schad begrüßte die Gäste. Fotos: lk

Speyer (lk). Gemeinsames Singen stärkt den Zusammenhalt. Im Kirchenlied erlebt sich die Gemeinde als Gleichgesinnte. Diese Feststellung hat die Direktorin des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte, Irene Dingel, bei einer Vortragsveranstaltung in Speyer getroffen. Das Lied entwickle die Kraft, größere Gruppen zu mobilisieren und Protest zu artikulieren, sagte Dingel am Dienstag in der Bibliothek und Medienzentrale der Evangelischen Kirche der Pfalz.

Der Gemeindegesang sei seit jeher zugleich Ausdruck von Frömmigkeit wie auch von Protest. Das Gemeindelied sei in Deutschland von Martin Luther Luther „ausgebaut“ worden. „Neu und unerwartet war die Wirkung, die seine Dichtungen entfalteten“, betonte Dingel. „Die allgemeinverständlichen Texte und leicht zu lernenden Melodien halfen dabei, die neuen Glaubensinhalte zu transportieren und zu verinnerlichen.“ In den Liedern sei aber auch gegen Andersgläubige polemisiert worden, führte Dingel aus. Deftige Satire sei dabei keine Seltenheit gewesen.

Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) allerdings habe sich das Kirchenlied zum „besten Tröster des Kirchenvolkes“ entwickelt. Gegen alle Kriegserfahrung, gegen Leid und Tod habe der Gemeindegesang den Menschen Kraft und Zuversicht vermittelt. Als einer der bekanntesten habe der Theologe Paul Gerhardt (1607-1676) in seinem Leben mehr als hundert hoffnungsvolle Lieder geschrieben, obwohl er Frau und vier Kinder verloren habe.

In seiner Begrüßung der rund 80 Gäste wies Kirchenpräsident Christian Schad auf die zentrale Bedeutung der Musik im Leben Luthers hin. „Musica ist die beste Labsal einem betrübten Menschen, dadurch das Herz wieder zum Frieden erquickt und erfrischt wird“, zitierte er den Reformator. Im gemeinsamen Singen und Musizieren verwirkliche sich beispielhaft das Priestertum aller Glaubenden, so Schad. Das Kirchenlied stelle ein kulturelles Vermächtnis dar, das über die Erinnerung des Einzelnen und der Generationen hinausreiche.

Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald an der Truhenorgel und ein Vokalquartett mit Annabelle Hund, Nora Steuerwald, Christian Rathgeber und Markus Flaig gestalteten den musikalischen Rahmen.