Deutsche Gemeinde in London 

Aufregung um den "Brexit"

Skyline von London mit St. Pauls. Foto: Rapp

Pfarrer Bernd Rapp. Foto: privat

Bonhoeffer-Kirche in London-Ost. Foto: Rapp

Hinweisschild auf den Theologen und Widerstandskämpfer, der von 1933 bis 1935 Pfarrer in London war. Foto: Rapp

London/Speyer (lk). Als der pfälzisch-protestantische Pfarrer Bernd Rapp im Sommer 2016 – kurz nach dem Referendum über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union – seinen Dienst als Auslandspfarrer in London-Ost antrat, konnte er nicht ahnen, dass der „Brexit“ bald das alles bestimmende Thema in der deutschsprachigen Gemeinde im sonst so weltoffenen London sein würde. Der Pfälzer Pfarrer, der in England studiert hat und sich selbst als „überzeugten Europäer“ bezeichnet, kann das Wort „Brexit“ schon fast nicht mehr hören. Jede Nachrichtensendung bringe einen Beitrag zum Brexit und auch in den Gemeinden komme das Thema sehr oft zur Sprache.

In den drei zum Pfarramt London-Ost der Evangelischen Synode deutscher Sprache in Großbritannien zählenden Gemeinden mit ihren rund dreihundert Mitgliedern seien die Reaktionen sehr unterschiedlich, so Rapp. „Denjenigen, die schon seit Jahrzehnten hier leben, ist England Heimat, sie sind hier fest verwurzelt.“ Ein Zurück nach Deutschland, in die EU, komme für diese Gruppe nicht infrage. „Sie vertrauen darauf, dass sie auch in Zukunft hier willkommen sind.“ Andere würden noch rasch die Einbürgerung beantragen, um vor allen Eventualitäten sicher zu sein.

Die Gemeinde habe sich vorgenommen, bei dem wahrscheinlich recht komplizierten Verfahren des „Settled Status“, der britischen Variante der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, zu helfen. Sie tritt dann in Kraft, wenn Großbritannien ohne Einigung aus der EU austritt. Für andere sei der Brexit der letzte Auslöser, das Land zu verlassen. Manche Gemeindemitglieder seien schon wieder zurück nach Deutschland, andere säßen auf gepackten Koffern und suchten nach Jobalternativen, schildert Rapp. Jüngere, meist ungebundene Menschen, würden den Ausgang des Brexitverfahrens gelassen abwarten – bereit, zu bleiben oder zu gehen. „Ärgerlich und ein bisschen zermürbend ist einfach die Unsicherheit – denn keiner weiß im Moment, wie es ab Ende März weiter geht in diesem Land.“

Für Bernd Rapp, der zuvor Gemeindepfarrer an der Johanneskirchengemeinde in Pirmasens war, hat sich mit dem Dienst als Auslandspfarrer in der britischen Metropole ein Traum erfüllt. Rapp hat in Edinburgh (Schottland) studiert, als Pfarrer in Cambridge ein Kontaktstudium absolviert, die Familie hat mehrfach Urlaub auf der Insel gemacht, zudem gibt es eine Partnerschaft der Johanneskirchengemeinde mit der United Reformed Church (URC) Stowmarket in der Grafschaft Suffolk in Ost-England. „In unserem Denken und Fühlen spielt Großbritannien schon lange eine große Rolle“, sagt der 46-Jährige. Die Familie lebt im Pfarrhaus der 1694 gegründeten, zweitältesten deutschsprachigen Kirchengemeinde St. Marien. Zwei der drei Kinder zieht es – unabhängig von Brexit und EU-Politik – zurück nach Deutschland: Die älteste Tochter studiert in Heidelberg, der Sohn möchte nach dem Abitur eine Ausbildung bei Bosch in Homburg beginnen, die jüngste Tochter geht noch zur Schule.

Rapp und seine Frau fühlen sich in der britischen Metropole wohl. Er hat dort einen berühmten Vorgänger: Dietrich Bonhoeffer, Theologe und Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Unrecht, war von 1933 bis 1935 Pfarrer in Sydenham/Forest Hill, das zu Rapps Pfarramt gehört. Vorbehalte habe er nie verspürt, sagt der Pfarrer. „London ist nicht England. Die Stadt ist ein Schmelztiegel der Kulturen, Religionen und Lebensarten.“ Sehnsucht nach Deutschland habe er noch nicht. Der Kontakt zur Heimat werde durch regelmäßige Besuche bei Schwiegereltern und Eltern und den Newsletter des „Kirchenboten“ aufrecht erhalten. Zuletzt war Rapp zusammen mit Vertretern der United Reformed Church anlässlich des Unionsjubiläums 2018 in der Pfalz.

Fast 120 Pfarrerinnen und Pfarrer sind im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zurzeit im Auslandseinsatz – in Europa und auf dem ganzen Globus. Sie betreuen die deutschsprachigen Gemeinden, die es an vielen Orten der Welt gibt. Auslandspfarrer werden von der Evangelischen Kirche in Deutschland für sechs Jahre entsandt, eine Verlängerung des Dienstes um weitere drei Jahre ist möglich.