Kirchenpräsident 

Lebendige Demokratie lässt Wettstreit der Meinungen zu

"Pressetee": Gute Gelegenheit für Kirchenleitung und Journalisten, gegen Ende des Jahres miteinander ins Gespräch zu kommen. Foto: lk

Bad Dürkheim (lk). Kirchenpräsident Christian Schad fordert ein entschlossenes Auftreten gegenüber rückwärtsgewandten und demokratiefeindlichen Strömungen. Die Kirche müsse sich noch mehr als bisher der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe stellen, das Vertrauen in die Demokratie zu stärken und einer Verächtlichmachung der Rechtsordnung Einhalt zu gebieten. Immer wieder neu seien Freiheit, Gerechtigkeit und Gewaltenteilung gegen jene zu verteidigen, die versuchten, einen rückwärtsgewandten Nationalismus wiederzubeleben. Zugleich machte Schad Mut zu einer „Reformation der Hoffnung und der Zuversicht als Zeichen des Vertrauens in einer vertrauensarmen Welt“.

Nostalgie sei eine Abwehrhaltung in unübersichtlichen Zeiten, sagte Schad beim traditionellen „Pressetee“ der Evangelischen Kirche der Pfalz in Bad Dürkheim. Die Sehnsucht zurück idealisiere Zustände, die weder damals ideal gewesen seien, noch heute für eine globale und vielfältig-plurale Welt taugten. „Diese Rückschau ist eine verhängnisvolle Falle. Sie geht einher mit der Tendenz, die Wahrheit zu verdrehen und zur Denunziation aufzurufen“, warnte der Kirchenpräsident. Als Beispiel führte er die digitale Meldeplattform der Partei „Alternative für Deutschland“ an, auf der Schüler dazu animiert würden, sich als „Spitzel“ beispielsweise gegenüber AfD-kritischen Lehrern zu betätigen.

In den Schulen müsse vielmehr die kritische Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus noch aktiver als bisher zum Unterrichtsgegenstand gemacht werden, sagte Schad. Aktuell werde im evangelischen Religionsunterricht das Projekt „Protestanten ohne Protest“ thematisiert, in dem die pfälzische Landeskirche auch ihre eigene Rolle im Nationalsozialismus kritisch hinterfrage. „Wer junge Menschen zu mündigen Bürgern erziehen will, muss auch selbst den Mund aufmachen. Wer Zensuren verteilt, darf keine Zensur ausüben. Wer eine lebendige Demokratie möchte, muss den Wettstreit der Meinungen zulassen.“

Die Vertrauenskrise, in der sich die Gesellschaft befinde, habe auch die Kirchen erfasst, sagte Schad und nannte in diesem Zusammenhang Fälle sexuellen Missbrauchs, die beide Kirchen und ihre diakonischen Einrichtungen hart träfen. Nach einem von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) erarbeiteten Elf-Punkte-Plan richtet die pfälzische Landeskirche derzeit eine Unabhängige Kommission für Aufklärung und Prävention zu diesem Thema ein.

Alle Christen seien aufgerufen, den Blick „mutig, klar und zukunftsfroh“ nach vorn zu richten und sich für Religionsfreiheit und die Würde des Menschen einzusetzen, sagte Schad. Nur eine offene, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Neutralität des Grundgesetzes ermögliche eine gelingende Integration, sagte Schad beim Pressetee. Dieser bietet Kirchenleitung und Journalisten Gelegenheit, gegen Ende des Jahres intensiv miteinander ins Gespräch zu kommen.