Kunst- und Bibelaktion 

Gottes Wort am laufenden Band

Gottesdienst in der Ludwigshafener Friedenskirche. Vorne: Pfarrerin Cornelia Zeißig.

Vielfältige Bewegung: Das Bibelband wird entrollt. Fotos: Andreas Lang

Ludwigshafen (lk). Eine Art Reformation oder „art reformation“ hat die Ludwigshafener Friedenskirche im Gottesdienst erlebt. Aus alten Bibelseiten entstand etwas Neues, eine besondere Schriftrolle verband viele Menschen. Unter dem Titel „Gottes Wort am laufenden Band“ wurde das landeskirchliche Kunstprojekt zum Unionsjubiläum „Vielfalten“ aufgegriffen.

In einer spektakulären Aktion umspannten Pfarrerin Cornelia Zeißig, Pfarrerin Mechthild Werner, die Künstlerin Silvia Mielke sowie etwa 80 Schüler, Konfirmandinnen und Gemeindeglieder den runden Kirchenraum von der Empore bis ins Erdgeschoss mit einem Band aus tausenden Bibelseiten. „Gottes Wort umarmt die Friedenskirche“, freute sich Cornelia Zeißig an der symbolischen und sinnlichen Idee, die im nüchternen Pfälzer Gottesdienst manchmal fehle. „Wie behutsam und begeistert alle das Bibelband auf Händen trugen, von der 92Jährigen bis zu den Kindern, hat mich berührt“, dankte Mechthild Werner den Beteiligten zum Abschluss unter Applaus und furioser Orgelmusik.

Die Initiatorin des Kunstprojekts „Vielfalten“ und Projektleiterin zum Jubiläum „200 Jahre Pfälzer Kirchenunion“ rollte zuvor in einem launigen Predigtgespräch die Entwicklung der Bibel auf, eine „rund 3.000 Jahre lange, verwickelte Geschichte, die man kennen sollte“. Wer gegen Juden hetze, hetze gegen Jesus selbst, meinte Werner. Wer das christliche Abendland verteidige, müsse wissen, dass es von Ausländern - Juden, Griechen, Römern - aus Morgenland kam. Es gelte, die Geschichte zu kennen, um in die Zukunft zu gehen. Die Unionsurkunde vor 200 Jahren mahne, „auf dem Weg wohlgeprüfter Wahrheit und echt religiöser Aufklärung mutig voranzuschreiten.“

1818 kamen Lutheraner und Reformierte in der Pfalz wieder zusammen. Wie zu Zeiten der Reformation sollte ‚allein das Wort‘ die Richtschnur sein und die Kirche der Union verbinden. Seit 2017 werden in den Gemeinden ‚neue‘, revidierte Lutherbibeln verwendet. Das Projekt Vielfalten sollte anregen, „alte“ Gemeindebibeln nicht als Altpapier zu entsorgen, sondern sie sorgsam umzugestalten.

Papierkünstlerin Silvia Mielke aus Jockgrim hatte dazu im Auftrag der Landeskirche eine Idee entwickelt. Sie faltete unzählige Seiten ausgemusterter Gemeindebibeln, knüpfte daraus innerhalb eines halben Jahres rund 2.800 Meter lange Bänder, die sie auf drei Telefonkabeltrommeln spannte. Das 500 Meter lange Band wurde in Ludwigshafen teilweise abgerollt. „Im Telefonbuch wie in der Bibel sind Menschen auf der Suche, es geht um Namen, Personen, persönliche Geschichten und um Kommunikation“, erläuterte Mielke im anschließenden Künstlergespräch ihre Grundidee. Die Rollen erinnerten sie auch an Thorarollen. Die Künstlerin präsentierte zudem weitere Exponate „re-formierter“ Bibeln, die den Besuchern neue Perspektiven auf das Wort Gottes eröffneten. lk

Hinweis: Auch im Dekanat Frankenthal planen Gemeindegruppen ein „Vielfalten-Projekt“. Am 18. Oktober um 19 Uhr findet im Dathenushaus ein Gesprächsabend statt. Zum Thema „Das unantastbare Buch? Von der Kunst, mit der Bibel umzugehen“ setzt Oberkirchenrat Michael Gärtner einen Impuls. Am 21. Oktober wird ein Vielfalten-Gottesdienst mit Kunstaktion gefeiert