Weckruf und "ewige Worte" 

Kirchentagsfeeling auf Straßen und Plätzen

Kletterkirche und demokratischer Marktplatz: die Unionskirche.

Auftakt am Samstag auf der Hauptbühne mit der Jugendkantorei Kaiserslautern.

Hingucker: Kirche mit Kindern. Fotos: view

Ein Impuls für eine freie, demokratische Gesellschaft solle von diesem Fest ausgehen – das wünschte sich Kirchenpräsident Christian Schad in der Unionskirche, wo die Evangelische Jugend Pfalz auf einen „Marktplatz der Demokratie“ eingeladen hatte. Auf dem Podium stellten sich die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Anne Spiegel, die kultur- und kirchenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion und Landtagsabgeordnete Giorgina Kazungu-Haß und „Logo“-Moderatorin Jennifer Sieglor den Fragen der Jugendvertreter und aus dem Publikum.

„Mutig voran“ war das Motto des zweitägigen Festes und einen Weckruf, die demokratische Gesellschaft zu verteidigen, sandte nicht nur der Kirchenpräsident aus. Er wünsche allen Christen den Mut, einzuschreiten und nicht den Menschen das Wort zu überlassen, die rassistische Standpunkte verbreiteten, sagte Schad. Er selbst suche den Dialog, wohl wissend, dass es auch Protestanten gebe, die der Alternative für Deutschland (AfD) nahe stünden, die rechtspopulistische Ansichten vertrete.

Demokratischer Marktplatz

Klare Position bezog auch Kazungu-Haß in der Diskussion mit Heidrun Krauß, geschäftsführende Referentin des Landesjugendpfarramtes, und der ehrenamtlichen Jugendlichen Katharina Hoffmann: Toleranz und Freiheit bedeuteten nicht, rassistische Äußerungen zu akzeptieren, sagte sie unter Applaus. Die Politik müsse sich „mehr um Sorgen der Bürger kümmern, als um besorgte Bürger‘“, sagte die Tochter eines aus Kenia stammenden Vaters und Mutter von vier Kindern.

Ja, die SPD lasse sich von den rechten Parteien vor sich hertreiben, bestätigte die Politikerin eine Frage aus dem Publikum. Die Partei sei jedoch auch in Bedrängnis, „weil wir uns nicht trauen, mehr Haltung zu bewahren“. Demokratie sei der höchste Anspruch an ein gesellschaftliches Zusammenleben, jeder sei wichtig dafür. Sie müsse nicht gerettet, sondern immer neu geformt werden. Ihre Politikerkollegen forderte Kazungu-Haß zu mehr Mut zu Wahrhaftigkeit auf – auch mit der Gefahr, dadurch Wählerstimmen zu verlieren.

Mit Blick auf die Diskussionen über Chemnitz und Äußerungen des Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, appellierte Integrationsministerin Spiegel: „Achtet auf die Sprache, sie kann eine Debatte formen, aber sie kann sie auch richtig gefährlich machen.“ Aussagen wie die Maaßens sowie die Vorfälle in Chemnitz machten ihr Sorge, wie es mit der Demokratie weiter gehen werde. Aber sie machten sie auch kämpferisch, sagte die Ministerin. Im Gespräch mit Volker Steinberg vom Landesjugendpfarramt sowie dem ehrenamtlich aktiven Jugendlichen Lukas Schwarz trat Spiegel klar für mehr Diskussion über Politik in Schulen ein.

Jugendliche früh einzubinden und sie über das, was in der Welt passiert, zu informieren, sei ein Grundstein für eine freiheitliche Gesellschaft, betonte auch Jennifer Sieglor. Sie glaube nicht an die „Mär der politikverdrossenen Jugend“, sagte die Fernseh-Moderatorin. Wichtig sei es, die Jugendlichen zu erreichen, Politik verständlich zu machen, wie das die Kindernachrichtensendung Logo tue. „Sonst bleibt die Angst“, warnte sie.

An eine solche Zeit, zu der Angst vor Andersartigkeit zu Hass und Gewalt in Deutschland geführt hatten, erinnerte Dietrich Lauter. Der ehemalige Ludwigshafener Jugendpfarrer und Kaiserslauterer Studentenpfarrer war als Zeitzeuge geladen bei der Hebung eines Memorandums, das die Evangelische Jugend der Pfalz beim 175. Jubiläum der Union im Jahr 1993 an der Stiftskirche vergraben hatte. In einem Zug, voran Kirchenpräsident Christan Schad, Landesjugendpfarrer Florian Geith und Kindergottesdienstpfarrerin Urd Rust, war die Evangelische Jugend mit vielen Kirchenvolksfestbesuchern von der Unionskirche zur Stiftskirche gezogen.

Memorandum mit klarer Botschaft

Dort hob Kirchenpräsident Schad mit zwei Jugendlichen den damals unter Widerständen der Kirchenvertreter gelegten Stein. Kirchlichen Schlagworten wie Freiheit, Offenheit, Toleranz, Gemeinschaft und Zuversicht hatten die Jugendlichen damals neue Begriffe zugeordnet: Profil, Charakter, Sensibilität, Konsequenz und Leidenschaft. Von „ewigen Worten“, die jede Generation für sich übersetzen müsse, sprach der Kirchenpräsident in einer ersten Analyse und betonte, dass dazu auch „das kritische Potenzial von euch Jugendlichen“ gebraucht werde. Dass sie die Botschaft ihrer Vorgänger ernst nehmen, diskutieren und analysieren werden, versprach Jugendpfarrer Geith.

„Himmel un Erd war do in Laudere“, sagte die Pfarrerin für Kindergottesdienst Urd Rust, verkleidet als historische Marktfrau Unions-Ursel. Und sie traf mit dem, was sie in ihrem Ein-Frau-Theater in der Unionskirche und später auch auf dem Unionsplatz vorstellte, nicht nur die Stimmung im Jahr 1818, sondern auch heute. Beim Fest mit Kirchentagsfeeling gab es viel zu entdecken, für zufällig sowie geplant dazu Gestoßene, die von Aufklebern mit dem Unions-Logo durch die Fußgängerzone geleitet wurden: Stille Ecken wie bei der Non-Stop-Bibellesung im Chorraum der Stiftskirche durch angehende Lektoren und Pfarrer gab es ebenso wie laute Musik auf dem Stiftsplatz und eher ruhigere Töne auf der Lounge-Bühne auf dem Unionsplatz.

Auch das Theaterfest des Pfalztheaters zog viele Besucher an. Informatives zum Unionsjubiläum wussten Historiker Roland Paul und Pfarrer Werner Schwartz im Alten Stadthaus, dem Ort der Synode im Jahr 1818, zu berichten. Diskutiert wurde über die Zukunft der Kirche bei einer Veranstaltung von „Frauen wagen Frieden“ und der „Arbeitsstelle Frieden und Umwelt“. Kritisch nachgefragt über Mut, Demokratie und die Rolle von Kirche in der Gesellschaft wurde auf der blauen Bank der Diakonie von Albrecht Bähr. Der Diakoniepfarrer hatte unter anderem Vertreter der rheinland-pfälzischen Landesregierung zu Gast: Innenminister Roger Lewentz, Wissenschaftsminister Konrad Wolf sowie Integrationsministerin Anne Spiegel.

Hintergrund: 1818 vereinigten sich in Kaiserslautern die bis dahin getrennten reformierten und lutherischen Gemeinden der Pfalz zu einer gemeinsamen Kirche. Die Pfälzer Kirchenunion entstand, weil die Gemeinden es wollten, sie war eine Basisbewegung. Dies feierte die Evangelische Kirche der Pfalz mit einem Festwochenende vom 7. bis 9. September an den historischen Schauplätzen in Kaiserslautern.