Unionsbewegung 

Zwischen Politik und Volksabstimmung

Lambrecht (lk). Die Pfälzer Kirchenunion von 1818 und die im gleichen Jahr verabschiedete bayerische Verfassung sind nach Auffassung des Landauer Historikers Erich Schunk „Zwillingsgestalten“, ohne die die Entwicklung hin zur Union von Lutheranern und Reformierten in der Pfalz nicht ausreichend erklärt werden könne. Schunk sprach bei einer Tagung zum Thema „Beteiligungskultur. Zur Bedeutung der pfälzischen Unionsbewegung“, zu der die Evangelische Akademie, der Verein für pfälzische Kirchengeschichte und das Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde nach Lambrecht eingeladen hatten.

Schunk erläuterte, dass die bayerische Staatsverfassung Freiheits- und Gleichheitsrechte verankert habe und in einem „Protestantenedikt“ den Einwohnern des Königreichs volle Glaubens- und Gewissensfreiheit zugestanden worden sei. Alle drei Konfessionen – Katholiken, Lutheraner und Reformierte – hätten als öffentliche Kirchengesellschaften die gleichen bürgerlichen und politischen Rechte besessen. Im Blick auf den organisatorischen Aufbau der Kirche seien neue Strukturen eingerichtet worden, wie die der Konsistorien (analog der staatlichen Verwaltungsstrukturen) und Synoden.

Eine Abstimmung wie die im Januar 1818, in der alle Gemeinden in der Pfalz darüber befinden sollten, ob eine Generalsynode die Vereinigung der lutherischen und reformierten Kirchen betreiben soll, habe es zu diesem Zeitpunkt in „Deutschland“ noch nicht gegeben, erklärte Schunk. Auch wenn sich bei der Abstimmung (40.167 votierten für die Union, 539 dagegen) nur ein Sechstel der rund 240.000 Protestanten beteiligt habe, so müsse man berücksichtigen, dass bei den Wahlberechtigten nicht Individuen im Blick gewesen seien, sondern mit „Gemeindsgliedern“ Familien (Familienväter bzw. Witwen). So erhöhe sich die Zahl der Befragten auf rund drei Viertel der Protestanten im bayerischen Rheinkreis.

Für Andreas Metzing, Leiter der Archivstelle Boppard der Rheinischen Kirche, ist die Volksabstimmung in der Pfalz aus Sicht der Münchner Regierung ein Instrument gewesen, das die zahlreichen Unionsbestrebungen in der Pfalz eindämmen sollte. „Die Regierung wollte wieder das Heft des Handelns in der Hand haben und die Durchführung der Union unter ihre Kontrolle bringen“, erklärte Metzing. Christian Decker, Abteilungseiter für Pfälzische Geschichte am Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde in Kaiserslautern, plädierte dafür, die pragmatischen Motive des Alltags bei der Unionsbewegung nicht unberücksichtigt zu lassen. So hätten neben den theologischen Debatten auch Finanzfragen und materielle Interessen eine Rolle gespielt.

Akademiedirektor Christoph Picker erinnerte daran, dass die Auseinandersetzung mit der Geschichte immer auch mit der Gegenwart und Zukunft zu tun habe. So müsse, mit Blick auf den „Gründungsmythos“ der Protestantischen Landeskirche als einer Basisbewegung, kirchen- und säkulargeschichtlich genau hingeschaut werden. Zudem gelte es, nach der Beteiligungskultur in Kirche und Gesellschaft heute zu fragen.