Bundestagswahl 

"Der Kraft des besseren Arguments vertrauen"

Kirchenpräsident Christian Schad

76,2 Prozent Wahlbeteiligung und damit 4,7 Prozent mehr als 2013. Das ist die hoffnungsvoll stimmende Zahl der Wahl zum 19. Deutschen Bundestag. Die Bürgerinnen und Bürger haben verstärkt von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht und mit übergroßer Mehrheit demokratische Parteien gewählt, die unentbehrlich sind für die politische Willensbildung. Mein Dank gilt den Wählerinnen und Wählern sowie den Männern und Frauen, die kandidiert und damit einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft geleistet haben. Den gewählten Abgeordneten wünsche ich, dass sie in einen fairen Dialog eintreten und auf die Kraft des besseren Arguments vertrauen.

Ich sehe aber auch, dass das demokratische Gemeinwesen in der Bundesrepublik Deutschland vor einer harten Bewährungsprobe steht. Auf dem Hintergrund historischer Erfahrungen und angesichts aktueller Herausforderungen müssen alle gesellschaftlich relevanten Gruppen und Institutionen den Wert der freiheitlichen demokratischen Verfassung wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit  rücken. Dazu gehören die Grundelemente unseres Gemeinwesens, die Würde des Menschen zu achten und die Freiheit und Gleichheit jedes und jeder Einzelnen anzuerkennen. Daraus folgt das Gebot politischer und sozialer Gerechtigkeit.

Unsere geschichtlichen Erfahrungen als Deutsche mahnen uns, wachsam gegenüber denjenigen Alternativen zu sein, die für geschlossene Welten plädieren, sich abgrenzend und abwertend gegenüber Andersdenkenden, Andersglaubenden, Anderslebenden verhalten. Auch im Blick auf die große Errungenschaft der europäischen Einheit und unserer Verantwortung für die Welt brauchen wir gemeinsame Wege, keine Abschottung und keine Alleingänge!

Die rechten Parteien in der Weimarer Republik kamen nicht an die Macht, weil sie durch demokratische Wahlen so zahlreich geworden waren, sondern weil es nicht genug Demokraten gab, die den unschätzbaren Wert der Weimarer Verfassung erkannt hatten und sie zu verteidigen bereit gewesen waren. Wenn die Mehrheit zu leise wird, wird die Minderheit zu laut. Das muss uns heute Mahnung sein.

Als Kirche bekennen wir uns klar zu der Verantwortung, die auch wir für das demokratische Gemeinwesen tragen.

Speyer, den 25. September 2017