Luther und die Reformation 

Frauen knöpfen sich das "Mannsbild" vor

Dagmar Mensink, Astrid von Schlachta, Claudia Kettering, Lea Siegfried und Silke Schwarzstein (von links). Foto: Donauer

Kaiserslautern (don/lk). Lea Siegfried, Autorin und Regisseurin des Rockmusicals „Luther – Mensch zwischen Gott und Teufel“, ist fasziniert von dem Reformator: „Ich weiß immer noch nicht, was ich von ihm halten soll. Mut und Fortschrittlichkeit machen ihn zu einem Vorbild. Wie die Tatsache, dass nach seinem Tod seine Frau Katharina von Bora Alleinerbin und Vormund seiner Kinder sein sollte.“ Siegfried war eine von vier Frauen, die beim „Talk unter Freunden“ im Pfalztheater Kaiserslautern über Luther, dessen Frauenbild und die Reformation diskutiert haben. Thema: „Die Weiber schweigen, wenn die Männer reden – Frauen knöpfen sich das Mannsbild vor.“

Pfarrerin Claudia Kettering, theologische Referentin der Evangelischen Arbeitsstelle Bildung und Gesellschaft, moderierte die Gesprächsrunde. Ihre Gäste waren außerdem Dagmar Mensink, Sprecherin für politische und ethische Grundfragen im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Astrid von Schlachta, Leiterin der Mennonitischen Forschungsstelle Weierhof, sowie Pfarrerin Silke Schwarzstein, die sich mit vielen weitgehend unbekannten Reformatorinnen auseinandergesetzt hat.

Auch heute wie vor zwanzig Jahren, als sie ihre Pfarrstelle angetreten habe, gebe es mitunter noch bestimmte Mechanismen: „Da heißt es ‚Herr Pfarrer Soundso‘ und ‚Frau Schwarzstein‘“, sagte Schwarzstein. Theologin Dagmar Mensink zitierte zur Frage nach der Gleichberechtigung im katholischen Glauben und der Forderung, Frauen zur Priesterweihe zuzulassen, die ehemalige rheinland-pfälzische Kultusministerin Hanna-Renate Laurien: „Ist das Diakonat der Frau von Gott, wird es kommen; ist es nicht von Gott, wird es nicht kommen. Aber da wir es als von Gott kommend ansehen, werden wir das Nachdenken darüber und das Beten dafür nicht beenden.“

Die Rolle der Frau im Christentum war zunächst gewaltig: Frauen am Kreuz Jesu und bei der Bezeugung seiner Auferstehung. Dann kamen jedoch Strukturen in die neue Religion und mit den Strukturen besetzten Männer die Ämter der Priester. Das Zölibat, eingeführt im 12. Jahrhundert, wurde fast vierhundert Jahre später aufgehoben vom Mönch Luther, der eine Nonne heiratete. Über „Herrn Käthe“, wie er seine Frau manchmal nannte, wurde spekuliert, dass manche Reden Luthers dem Hirn der besseren Hälfte entsprangen. Die Teilnehmerinnen der Runde waren sich darüber einig, dass Bildungsmöglichkeit für Mädchen und die Anfänge der Gleichberechtigung in der Ehe Martin Luther und seinen reformatorischen Gedanken zu verdanken seien. Gleichwohl sei beispielsweise Luthers Einstellung zur Judenfrage oder zur Täuferbewegung alles andere als vorbildlich gewesen.

Die Diskussion warf viele Fragen auf. Wie können wir heutzutage unvoreingenommen die Familie des 16. Jahrhunderts beurteilen? Als diese eine Arbeits- und Lebensform war, Frauen natürlich mitarbeiten mussten und sich Bauern nicht leisten konnten, ihre Töchter kostenpflichtig zur Schule zu schicken, wo man jede helfende Hand zuhause brauchte. Diskutiert wurde auch, wie weit die Folgen des christlichen Glaubenssplittings reichen. Noch heute trage die ältere Generation Wunden der Entzweiung, wenn der gewählte Partner die „falsche“ Konfession hatte.

Alle Frauen waren sich einig, dass das Reformationsjubiläum die Lust geweckt hat, Fragen zu stellen. Politische Sprengkraft wie zur damaligen Umbruchzeit gebe es auch heute. „Wenn sich Menschen begegnen und nicht fähig sind, einander zuzuhören. Aber es mangelt häufig an der Bereitschaft zur Diskussion: Aufeinander hören, Respekt haben“, erklärten die Diskutanten einmütig.