Gefiederte Freunde im Jugenddorf 

Wo Hühner bei den "Falken" wohnen

Füttern und pflegen: Hühnerhaltung ist Teil des pädagogischen Konzeptes im Jugenddorf. Foto: evh

Waldfischbach-Burgalben (evh). Gefiederte Mitbewohner haben seit ein paar Wochen die Jungen und pädagogischen Mitarbeiter im Jugenddorf Sickingen in Waldfischbach-Burgalben bekommen. Flocke, ein weißes Zwerghuhn, und drei bisher noch namenlose braune Artgenossinnen sind Anfang März in die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung der Evangelischen Heimstiftung Pfalz eingezogen. Ihr Auftrag: einen Beitrag leisten bei der pädagogischen Arbeit im Jugenddorf, wo 24 Jungen mit intensivpädagogischen Förderbedarf leben. Dass die vier Hühner dabei ausgerechnet in einer Wohngruppe gelandet sind, die den Namen „Falken“ trägt, scheint sie wenig zu beeindrucken.

Schließlich sind die „Falken“ – sieben Jungen im Alter zwischen neun und 15 Jahren – nicht wenig stolz auf „ihre“ Hühner. Und inzwischen wissen sie auch schon ganz gut Bescheid darüber, was die vier so alles brauchen. „Morgens bekommen sie von uns Körner und frisches Wasser. Abends geben wir ihnen Essensreste aus der Gruppe“, erzählt Oduwa. „Ich pflücke ihnen gerne Gras und Löwenzahn, das futtern sie ganz schnell weg“, ergänzt Fabian. „Wir machen auch den Trinknapf sauber und bringen den Mist weg“, berichtet Ricardo. Im Moment, erklärt Erzieherin Claudia Weber, sei immer einer der Mitarbeiter mit dabei, wenn die Hühner versorgt würden. Nach und nach könnten die Jungen aber auch die eine oder andere Aufgabe selbst übernehmen. „Wir haben für die Gruppe auch ein Buch über Hühnerhaltung angeschafft, außerdem informieren sich die Jungen natürlich im Internet“, erzählt sie weiter.

Die Idee, die Haltung von Tieren in das pädagogische Konzept der Gruppe zu integrieren, habe im Mitarbeiter-Team schon länger existiert, so Weber. „Naturerfahrungen spielen in unserer Wohngruppe ohnehin eine wichtige Rolle. Wir pflanzen zum Beispiel in einem Hochbeet unser eigenes Gemüse und in der Nähe des Hühner-Geheges steht schon der Rahmen für ein großes Insekten-Hotel, das die Gruppe als nächstes Projekt baut.“ „Ein Kollege hält zu Hause schon viele Jahre Hühner“, begründet ihre Kollegin Hannah Janovsky, warum die Wahl dann schließlich auf Hühner fiel.

Bis die dann tatsächlich bei den „Falken“ einziehen konnten, waren jedoch erst noch einige Vorarbeiten zu erledigen. Unter Anleitung der Wohngruppen-Mitarbeiter bauten die Jungs ein 15 Quadratmeter großes Hühnergehege samt Hühnerhaus und –leiter. Dabei lernten sie unter anderem, dass es Vorgaben dafür gibt, wie groß die Nester für die Hühner sein müssen, und dass so ein Gehege ausreichend Schutz vor Mardern, Füchsen und Raubvögeln bieten muss. Für die Materialkosten gab es eine Spende des Motorradclubs Gold Wing Riders International e.V. Kaiserslautern, der das Jugenddorf Sickingen bereits mehrmals unterstützt hat.

„Schade, dass einer der Jungs, der viel beim Bauen des Geheges mitgeholfen hat, heute nicht dabei sein kann“, bedauert Christian Schmidt, ebenfalls Mitarbeiter im „Falken“-Team. Am Hühnergehege hat Luca währenddessen entdeckt, dass zwei Eier in den Nestern im Hühnerhaus liegen. „Die kommen jetzt in den Kühlschrank und dann verwenden wir sie in der Gruppe“, berichtet Claudia Weber: „Das war auch einer der Gründe, weswegen wir uns für die Hühner entschieden haben: wir wollten, dass die Kinder eine andere Sicht auf Lebensmittel bekommen und lernen, dass die Eier nicht aus dem Supermarkt kommen.“ Selbstverständlich seien Flocke und ihre drei Mitbewohnerinnen beim zuständigen Veterinäramt und der Tierseuchenkasse gemeldet und würden alle Hygienevorschriften eingehalten, betont sie.

In der Zwischenzeit hat Antony eines der Hühner hochgehoben, um es zu streicheln: „Ich finde es gut, dass die Hühner inzwischen so zutraulich sind“, freut er sich. Für Christian Schmidt ist das ein Zeichen dafür, dass die Idee mit den Hühnern erste positive Effekte zeigt: „Über den Umgang mit den Hühnern üben die Jungen, einfühlsam zu sein. Sie haben inzwischen verstanden, dass sie im Gehege langsam gehen und ruhig sein müssen, um die Tiere nicht zu erschrecken. Gleichzeitig lernen sie, sich etwas zuzutrauen und haben Erfolgserlebnisse. So ein Huhn hochzuheben, das kostet ja auch ein Stück Überwindung.“ Er beobachte, dass die Jungen wirklich interessiert an den Hühnern seien, oft nach ihnen fragen und sich häufig am Gehege aufhalten. „Tiere haben eigentlich immer eine besondere Wirkung auf Kinder und auf die Atmosphäre“, sagt er. „Mein Eindruck ist, dass die Hühner das gesamte Klima in der Gruppe positiv beeinflussen. Man könnte fast sagen: mit den Hühnern ist noch mehr Herz in die Gruppe eingezogen.“

Mehr zum Thema: www.evh-pfalz.de.