Diskussionsforum zum Reformationsjubiläum 

Mehr als ein Jubelfest im "Luther-light-Format"

Hoffnungsfroher Blick nach oben: Malu Dreyer, Christian Schad (rechts daneben), Gerhard Robbers (links) und Mitglieder der Evangelischen Jugend.

Auf dem Podium, von links: Christine Eichel, Malu Dreyer, Harald Asel, Christian Schad und Mario Krebs. Fotos: lk

Berlin (lk). Das Reformationsjubiläum ist mehr als nur ein Jubelfest im „Luther-light-Format“. Es bietet vielmehr für die Kirche, die Politik und die Gesellschaft Anlass zur Selbstreflexion und Selbstvergewisserung. Die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion, zu der die Landesvertretung Rheinland-Pfalz und die Evangelische Kirche der Pfalz nach Berlin eingeladen hatten, waren sich darin einig, dass der von der Reformation ausgegangene „Luther-Effekt“ bis heute positiv in die Gesellschaft hineinwirkt. Dieses Erbe sei ein Schatz, sagte der Filmproduzent Mario Krebs („Katharina Luther“). Unter dem Titel „Lasst uns froh und Luther sein?“ diskutierten außerdem die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die Publizistin und Autorin Christine Eichel („Deutschland, Lutherland“) und der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad über die geschichtliche, kulturelle und gesellschaftlich-politische Bedeutung des Reformationsjubiläums.

Die Ministerpräsidentin erinnerte daran, dass Luther seine katholische Kirche verändern und nicht spalten wollte. Daher freue sie sich, dass bei der Gestaltung des Reformationsjubiläums „der richtige Ton gefunden wurde und es hoffnungsvolle Zeichen ökumenischer Annährung gibt“. Für Dreyer war der Buß- und Versöhnungsgottesdienst im März 2017 ein „Durchbruch“, der die Kirchen immer näher zusammenführe. Sie hoffe, dass die Impulse, die das Jubiläumsjahr setze, sich nach 2017 weiterentwickelten. Am Tag der 70-Jahr-Feier der rheinland-pfälzischen Landesverfassung machte die Ministerpräsidentin an einem politischen Beispiel deutlich, wie unterschiedliche kulturelle und religiöse Traditionen, landsmannschaftliche Mentalitäten und wirtschaftliche Lagen zusammenwachsen können. „Den Wandel kann man gestalten“, sagte Dreyer und blickte auf die ausgeprägten Unterschiede der regionalen Entwicklungen vor sieben Jahrzehnten. Die Aufgabe, möglichst gleiche Lebensverhältnisse zu schaffen, bedeute aber nicht, dass die jeweils eigenen Stärken aufgegeben werden müssten und regionale Identitäten verloren gingen.

Auch für die Autorin Christine Eichel („Deutschland-Lutherland“) haben Dekade und Jubiläumsjahr vorbildliche Aufklärungsarbeit geleistet und gezeigt, dass der Protestantismus zur Selbstreflexion fähig sei. Zudem sei deutlich geworden, dass Vieles, was die Deutschen charakterisiere, wie Pünktlichkeit, Fleiß, soziale Verantwortung oder die Lesebegeisterung, protestantische Haltungen seien „und wir mentalitätsgeschichtlich Nachfahren der reformatorischen Bewegung sind“. Dies habe zu einer „Verweltlichung des Glaubens“ geführt, zum Beispiel in der Haltung gegenüber der Arbeit, die als Chance zur Selbstverwirklichung begriffen werde. Luthers These vom Priestertum aller Glaubenden mache deutlich, „dass jeder Getaufte selbst verantwortlich vor Gott stehe und Rechenschaft über seinen Glauben ablegen könne“, erklärte Eichel. Dieses Menschenbild bedeute auch, dass das eigene Handeln stets reflektiert und das Gewissen ständig überprüft werden müsse.

Kirchenpräsident Christian Schad sieht die Kirche klar in der Pflicht, öffentlich für eine Gesellschaft einzustehen, in der sich die Menschen nicht „gnadenlos“ verhalten müssen. Schad zeigte dabei auch die politische Dimension des Kerns der Reformation, die Rechtfertigungsbotschaft, auf: Das Beispiel des SPD-Politikers Martin Schulz, der von den Medien erst als Messias gefeiert und dann fallengelassen und „niedergeschrieben“ worden sei, zeige, wie gnadenlos eine Gesellschaft mit Menschen verfahren könne. „Es zeigt aber auch, wie aktuell die Gnadenbotschaft Luthers ist“, wonach für jeden Menschen die universale Norm des Respekts und der Anerkennung gelten müsse. „Wenn Menschen sich bewusst machen, dass sie Tag für Tag neu beginnen können und ihnen Gutes widerfährt, das sie sich nicht selbst erarbeitet haben, dann“, so Schad, könne man erfahren, „was Gnade konkret heißt“. Wenn die Gesellschaft in der Gefahr stehe, ihre Orientierung zu verlieren, werde von der Kirche zu Recht die Vermittlung ethisch begründeter Haltungen erwartet. Dazu gehörten heute mehr denn je Unterlassungen: Andere verschonen, Worte zurücknehmen, Geduld üben. Der pfälzische Kirchenpräsident verwies auch auf die europäische, Nationen, Kulturen und Religionen verbindende Dimension des Reformationsjubiläums. Der Europäische Stationenweg, der unter anderem auch in der Reformationsstadt Speyer Halt gemacht hat, sei bei vielen Menschen auf großes Interesse gestoßen.

Mario Krebs versteht das Reformationsjubiläum als „Katalysator“, neu über Werteorientierung nachzudenken. Auch wenn Begriffe der Reformation wie „Rechtfertigung“ oder „Gnade“ vielen Menschen heute fremd erschienen, strahlten Luthers Thesen und sein Glaubensbekenntnis dennoch in die moderne, plurale Gesellschaft aus, sagte der Filmemacher und studierte Theologe. Im Film „Katharina Luther“ sei versucht worden, dem Zuschauer einen Zugang zu dem zu ermöglichen, was Katharina von Bora und Martin Luther vor 500 Jahren umgetrieben habe: „Angst, jahrhundertelang nichts als Angst. Unsere Kinder werden die ersten sein, die ohne Angst vor Gott aufwachsen“, zitierte Krebs aus dem Film. Zum Glauben gehöre indes auch die Anfechtung. Auch das habe der Film vermitteln wollen. „Diese Erkenntnis kann uns heute noch helfen, Ängste zu überwinden.“

Die auch in der rheinland-pfälzischen Landesverfassung verankerte unantastbare Würde des Menschen stellte der Beauftragte der Landesregierung für das Reformationsjubiläum, Professor Gerhard Robbers, in seinem Schlusswort als wichtigstes Erbe der Reformation in den Mittelpunkt. Dass in einer Diskussionsrunde zwischen Politik, Kirche und Kultur so viel „über Gott gesprochen wurde“, sei nicht selbstverständlich, sagte Robbers.

Rund 50 Vertreter der Evangelischen Jugend in Rheinland-Pfalz waren auf Einladung der Bundesratspräsidentin nach Berlin gereist und verfolgten die Diskussion ebenso aufmerksam wie eine Delegation von Feuerwehrleuten im Rahmen der Partnerschaft Worms-Parma vor Ort. Die Ausstellung des Stadtmuseums Zweibrücken „Neuer Himmel. Neue Erde. Die Reformation in der Pfalz“ bot in der Berliner Landesvertretung weitere historische Einblicke.

Moderator Harald Asel vom Rundfunk Berlin-Brandenburg verwies darauf, dass das Forum zu einer Reihe von Gesprächsrunden gehörte, zu der die Landesvertretung Rheinland Pfalz und die Evangelische Kirche der Pfalz in der Reformationsdekade eingeladen hatten. Vorausgegangen waren „Reformation und Toleranz“ (2012), „Reformation und Politik“ (2014), „Die Macht der Medien“ (2015) und „Eine Welt“ (2016).

Das Haus der Rheinland-Pfälzer in Berlin begleitet auch den Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) mit einem „Abend der Begegnung“ am 24. Mai. Dabei wird das Motto des DEKT „Du siehst mich“ in Bilder umgesetzt: Schüler der Berufsbildenden Schule Technik II in Ludwigshafen zeigen ihre fotografischen Interpretationen, die elfte Jahrgangsstufe des Hofenfels-Gymnasiums Zweibrücken hat sich dem Thema malerisch genähert. DJ Olde wird für musikalische Stimmung sorgen, die Projektbeauftragte der Landeskirche für das Reformationsjubiläum, Pfarrerin Mechthild Werner, spendet den Abendsegen.