Gottesdienst in der Christuskirche – Dank für Befreiung und Gebet für den Frieden 

Gemeinsames Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft

Ansprache von Ministerpräsidentin Malu Dreyer bei der zentralen Gedenkfeier in der Mainzer Christuskirche. Foto: ekhn

Mainz (rlp/lk). Das Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft hat Ministerpräsidentin Malu Dreyer als herausragende staatliche und gesellschaftliche Aufgabe bezeichnet. Bei der rheinland-pfälzischen Gedenkveranstaltung zum Ende des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren in der Christuskirche in Mainz sagte die Ministerpräsidentin: „Deutschland steuerte in den Krieg und hat die halbe Welt in diese Katastrophe von Menschenhand gerissen. 60 Millionen getötete Menschen, die Shoa als schlimmste Form der Unmenschlichkeit, unser Land am moralischen Tiefpunkt, ein Kontinent in Schutt und Trümmern, dies war die Bilanz von knapp sechs Kriegsjahren. Das Gedenken daran darf niemals aufhören. Denn wer die Erinnerung verliert, der verliert auch das Ziel aus den Augen, dass sich so etwas nie wiederholen darf.“

Zu der zentralen Gedenkveranstaltung, die mit einem ökumenischen Gottesdienst begann, hatten Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Landtagspräsident Joachim Mertes eingeladen. Neben der Landesregierung und dem Landtag mit allen darin vertretenen Fraktionen wurde sie auch von den christlichen Kirchen, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der Landesvereinigung Unternehmerverbände, der Landeszentrale für politische Bildung und dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge getragen.

„Der 8. Mai 1945 war eine Befreiung vom Joch der Diktatur, vom Elend des Krieges und vom Geist des übersteigerten Nationalismus. Dazu kam das Glück, dass die Alliierten die richtigen Konsequenzen gezogen und Deutschland als Teil einer Völker- und Wertegemeinschaft neu verortet haben“, so die Ministerpräsidentin. Die gelungene Demokratisierung und Westbindung Deutschlands und das Zusammenwachsen Europas seien Voraussetzungen dafür gewesen, dass das Land seinen Weg erfolgreich gehen konnte. „Gerade deshalb wissen wir heute um den Wert offener Grenzen und des Zusammenwachsens Europas. Nach der Katastrophe des Krieges war und ist das die Erfolgsgeschichte unseres Kontinents“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

„Im Gedenken an den 8. Mai 1945 werden wir uns bewusst, wie zerbrechlich die Ordnung unserer Zivilisation ist. Deutschland konnte sich nicht von alleine aus den Fesseln der Diktatur befreien. Es bedurfte des massiven Eingreifens der Alliierten. Solidarität mit den Schwachen, Frieden, Demokratie – es ist eine Illusion, zu glauben, dieser Zivilisationsprozess sei unumkehrbar. Die Lehren, die wir aus dem Zweiten Weltkrieg gezogen haben – Demokratie, Solidarität mit den Schwachen, Frieden, Vertrauen und Zusammenhalt – welche Richtung geben sie uns vor im Hinblick auf die europäische Flüchtlingspolitik? Das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg schärft uns das Bewusstsein für Gefährdungen, Gefährdungen, denen das menschliche Miteinander fortwährend ausgesetzt ist, auch heute und morgen“, so Landtagspräsident Joachim Mertes.

Bei dem Gottesdienst in der Christuskirche zum Beginn der Veranstaltung gedachten der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung (Darmstadt), der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche der Pfalz, Christian Schad (Speyer), sowie der Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Christoph Pistorius (Düsseldorf), der Opfer. Sie erinnerten aber auch an die Befreiung am 8. Mai vor 70 Jahren und beteten für den Frieden in der Welt. Nach den Worten von Kirchenpräsident Volker Jung ließen einen bis heute die Gräuel ratlos zurück. „Das Erschrecken bleibt und die Erkenntnis: Der Mensch ist fähig zu abgrundtief Bösem“, so Jung. Daraus erwachse aber auch die Verpflichtung, „dem Bösen zu widerstehen“. Dazu gehörten heute beispielsweise Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, sagte Jung.

Kirchenpräsident Christian Schad und Vizepräses Christoph Pistorius brachten in einer Textcollage mit Zeilen aus dem biblischen Buch der Klagelieder auch die Hoffnung auf die Überwindung von unbegreiflichem Leid zum Ausdruck. So fordere nach Schad die Bibel dazu auf, das Schwere im Leben vor Gott zu bringen. „Lass deine Tränen fließen wie einen Fluss bei Tag und in der Nacht“ und „schütte dein Herz aus wie Wasser vor dem Angesicht Gottes“, heiße es in den Klageliedern, so Schad. Dies kann nach den Worten von Pistorius dazu beitragen, Wunden vernarben zu lassen. Pistorius: „In Tränen liegt der Weg zur Versöhnung. Und im Erinnern.“ Bei der Feier hielt der Bischof des Bistums Mainz, Karl Kardinal Lehmann, die Predigt.

Für den Abend hatte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Rheinland-Pfalz zu einem Benefizkonzert in die Kirche St. Stephan eingeladen. Das Konzertprogramm wurde vom Heeresmusikkorps Koblenz und der United States Army Europe Band gestaltet.