Workshops 

Bestnoten für kritisches Nachdenken

Workshop für Lehrer, durchgeführt vom Amt für Religionsunterricht. Foto: lk

Speyer (lk). Was können junge Menschen aus der jüngeren deutschen Geschichte lernen, zu der auch die Rolle der evangelischen Kirche im Nationalsozialismus gehört? Wie können die Lehren, die die moderne Gesellschaft aus der Zeit diktatorischer Herrschaft zieht, für den Schulunterricht nutzbar gemacht werden? Diesen Fragen geht in Fortbildungen und Workshops für Religions- und Geschichtslehrer an weiterführenden Schulen ein vom landeskirchlichen Amt für Religionsunterricht initiiertes Projekt nach.

Wichtiges „Nachschlagewerk“ ist dabei die 2016 veröffentlichte zweibändige Publikation „Protestanten ohne Protest“, in der sich die Evangelische Kirche der Pfalz kritisch mit ihrer eigenen Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzt. In den Workshops sollen die Erkenntnisse für den Unterricht in den Fächern Geschichte und Religion, aber auch für den Konfirmandenunterricht und die Erwachsenenbildung herausgearbeitet werden, erklärt der Leiter des Amts für Religionsunterricht, Thomas Niederberger. Ziel werde eine Veröffentlichung sein mit Grundsatzbeiträgen zu Sachfragen und zur Didaktik, aber vor allem mit einem Materialteil zu Bildungsangeboten.

Die Urteilskraft junger Menschen stärken

Beim zweiten Workshop im Oktober standen „Gegenstände, Bilder und Gebäude, bzw. Denkmäler“ im Mittelpunkt der Überlegungen. Dahinter stecke die Absicht, junge Menschen durch Bezüge zur eigenen Region in Schulnähe anzuleiten, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, erläutert Niederberger. „Es geht nicht um historisches Wissen, sondern um die Auswertung von Erfahrungen, Lebensgeschichten und Entwicklungen aus früherer Zeit für die eigene Orientierung im Jetzt und Hier. Die Urteilskraft junger Menschen soll an den Anschauungsbeispielen geübt und gestärkt werden, um in der Gegenwart zu lebensförderlichen Haltungen und Erkenntnissen zu gelangen.“ Gerade die emotional aufgeladene Situation der Gegenwart in wichtigen ethischen Fragen lasse eine geordnete und reflektierte Sacharbeit mit Hilfe geschichtlicher Fakten sinnvoll erscheinen.

Kritisch nachdenken und hinterfragen – der Titel „Protestanten ohne Protest“ hat eine klare Botschaft, sind sich die Workshop-Teilnehmer einig. „Als Protestanten müssen wir erkennbar sein“, ist Pfarrer Richard Zurheide, Religionslehrer am Ludwigshafener Geschwister-Scholl-Gymnasium, überzeugt. Seinen Schülern will er sagen: „Denk mal nach. Über das, was früher war und wie du heute leben willst.“ Christine Veit, Lehrerin für Geschichte am Albert-Einstein-Gymnasium in Frankenthal, fühlt sich „verpflichtet, junge Menschen immer wieder zu kritischem Hinterfragen aufzufordern. Sie müssen sich bewusst sein, dass sie manipuliert werden können.“ Das lasse sich am Beispiel der nationalsozialistischen Propaganda gut verdeutlichen.

Sich für Minderheiten einsetzen, lautet die Botschaft

Realschullehrer Peter Schütt unterrichtet Evangelische Religion und Biologie. Sein Anliegen ist es, den Blick zu schärfen gegenüber populistischen Strömungen, schnellen Versprechen und scheinbar einfachen Antworten. Auch die Kaiserslauterer Pfarrerin Margarethe Hopf ist überzeugt, dass man nur durch die Beschäftigung mit der Vergangenheit lernt, gegenwärtige Entwicklungen zu beurteilen. Dass über die Zerstörung der Synagoge in Kaiserslautern durch die Nationalsozialisten „kirchlicherseits ein großes Schweigen“ geherrscht habe, sei „erschütternd“, sagt die Kirchenhistorikerin. Mechanismen durchschauen, sich für Minderheiten einsetzen, lautet ihre Botschaft an junge Menschen.

Pfarrer Stefan Werdelis, Religionslehrer an der Berufsbildenden Schule in Ludwighafen, ist über das Projekt Protestanten ohne Protest darauf gestoßen, dass die frühere „Rheinschule“ von dem Ludwigshafener jüdischen Architekten Markus Sternlieb geplant worden war und will dies im Unterricht thematisieren. Sternlieb hat 1934 mutmaßlich Suizid begangen, seine Frau Johanna wurde von den Nazis ins südfranzösische Lager Gurs deportiert, konnte aber später in die USA emigrieren.

Referenten der Workshops waren u.a. Eberhard Dittus, Leiter der Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt, Stefan Meißner, Vorsitzender des landeskirchlichen Arbeitskreises Kirche und Judentum, Markus Sasse, staatlicher Fachberater für evangelische Religion, und Gabriele Stüber, Leiterin des Zentralarchivs der Evangelischen Kirche der Pfalz und Mitherausgeberin des Bandes „Protestanten ohne Protest“.